Leverkusen "Museum des Lebens" wahrt Erinnerung
Leverkusen · Wer bin ich? Schüler der Realschule am Stadtpark sammelten Erinnerungsstücke der Kindheit für eine Ausstellung.
"Der Rechner meines Vaters ist vor kurzer Zeit abgestürzt, die Fotos waren nicht gesichert, und nun ... ist meine ganze Kindheit futsch!" Dieser Satz einer zehnjährigen Schülerin macht nachdenklich. Es ist natürlich traurig, wenn alle persönlichen Aufnahmen verschwunden sind, aber ist damit wirklich alles weg? Sind dadurch auch die Erinnerungen gelöscht? Schüler der Realschule am Stadtpark haben intensiv darüber nachgedacht und sind im Philosophie-Unterricht zu dem Schluss gekommen, dass alle Menschen durchaus "Anker" brauchen, an denen sich die Erinnerungen des eigenen "Ich" festmachen lassen.
Das müssen tatsächlich nicht Kinderfotos sein, vielleicht ist es ein Kuscheltier, ein Erbstück von individuellem Wert, eine Puppe oder ein anderes Spielzeug. Schüler aus verschiedenen Klassenstufen haben solche persönlichen Dinge mitgebracht, die einen hohen individuellen Wert haben.
Lehrerin Evelyn Meessen fotografierte jedes einzelne Teil und sammelte die Geschichten dazu. Bilder und Texte wurden laminiert und sind nun im Foyer des Schulgebäudes zu sehen. Zum Start am Tag der offenen Tür gab es eine richtige kleine Ausstellungseröffnung. Nicht alle Kinder wollten sich zu erkennen geben, viele mochten ihre Geschichten nur unter Pseudonym oder ganz ohne Namen öffentlich machen. Denn es sind nicht nur harmlose und nette Erinnerungen an eine behütete Kindheit, sondern manchmal auch harte, grausame Erlebnisse, die manche Kinder mit sich tragen. Eine Schülerin erzählte, dass sie sich immer mit einem Teddy verkrochen und getröstet hat, wenn der Stiefvater die Mutter geschlagen hat. Dieser Text wurde selbstverständlich ebenso anonymisiert wie die Erzählungen der Flüchtlingskinder, die ihre Erinnerungsstücke fotografieren ließen und sich dabei schlimme Ereignisse von der Seele geredet haben. Geschichten von der Verfolgung der Eltern in Sri Lanka oder vom Großvater in Jordanien, von der Flucht mit dreitägigem Fußmarsch, bei der eine Schülerin als kleines Mädchen die wenigen persönlichen Dinge in einem kleinen Rucksäckchen trug.
Aber auch Tröstliches wie die gut verwahrte Decke, die ein kleiner syrischer Flüchtling von Helfern geschenkt bekam. Im Unterricht "Praktische Philosophie" wird die Frage "Wer bin ich?" in fast jeder Jahrgangsstufe in unterschiedlichen Zusammenhängen neu gestellt, erklärt Evelyn Meessen, die gerade in diesem Fach Kinder aus besonders vielen unterschiedlichen Nationen hat. Viele sind bereits hier geboren, aber die Eltern der Realschüler stammen aus 59 verschiedenen Ländern. Als die ersten Kinder die Gegenstände und ihre persönliche Erinnerungen mitbrachten, ahnte die Lehrerin nicht, dass sich daraus ein ganzes Ausstellungs-Projekt als "Museum unseres Lebens" entwickeln würde. Aber es kamen immer mehr dazu, und jetzt hängen 48 Bild-Text-Paare an den Stellwänden - die Aktion geht weiter. Alle Eltern haben zuvor schriftlich ihr Einverständnis gegeben, einige hatten auch schon bei der Recherche geholfen.
Teile der Ausstellung werden zukünftig auch auf der Homepage der Schule zu sehen sein, einige Bilder und Texte werden vom DOMiD e.V. (Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland) in dessen Sammlung aufgenommen.
Bei der Eröffnung sammelten die Schüler Spenden für "Ärzte ohne Grenzen", was Kindern zugute kommen soll, denen es schlechter geht als vielen hier in Leverkusen.