Leverkusen Milde Haftstrafen für Schockanrufer

Leverkusen · Mitglieder einer Großfamilie hatten Senioren mit sogenannten Schockanrufen dazu gebracht, ihnen Schmuck und Ersparnisse zu übergeben. Der 27-jährige Hauptangeklagte wurde wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs zu fünf Jahren und vier Monaten Haft verurteilt.

Betrügerbande: Durchsuchungen in Leverkusen
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Erst nach der Behandlung von letzten Beweisanträgen kam die 15. Große Strafkammer Freitagnachmittag doch noch zur vorgesehenen Urteilsverkündung: Fünf Jahre und vier Monate für den 27-jährigen Hauptangeklagten, vier Jahre und zehn Monate für den 34-Jährigen, der weitgehend als Fahrer fungierte. Die beiden während der Tatzeit 19 und 20 Jahre alten Mittäter kamen mit zwei Jahren und drei Monaten bzw. zwei Jahre auf Bewährung davon; bei ihnen wandte das Gericht das Jugendstrafrecht an. Die Ehefrau des Hauptangeklagten, die das Auto für die Gaunertouren angemietet hatte, erhält neun Monate auf Bewährung.

Der Straftatbestand lautet: Gewerbsmäßiger Bandenbetrug in acht vollendeten und 38 versuchten Fällen. Das Gesetz sieht einen Strafrahmen von einem Jahr bis zehn Jahren vor, in besonders schweren Fällen bis 15 Jahre. Die Haftbefehle wurden für die beiden Jüngeren gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. Die beiden Haupttäter bleiben im Gefängnis, obwohl die Verteidigung einen allerletzten Versuch unternahm, den Haftbefehl gegen Hinterlegung einer Kaution außer Vollzug zu setzten. Dazu machten sie das Angebot, für die Haftverschonung jeweils 15.000 Euro zu hinterlegen. Die Staatsanwaltschaft sah damit ihre Bewertung, keine Verschonung wegen Wiederholungs- und Fluchtgefahr anzuordnen, nicht widerlegt.

Bemerkenswert ist, wie die stadtbekannte Großfamilie hinter ihren Mitgliedern steht, die nicht nur zuvor bereits 20.000 Euro zur Schadenswiedergutmachung als Spenden über die freikirchliche Pfingstgemeinde organisiert hatte, sondern jetzt 30.000 Euro für eine Kaution zur Verfügung stellen wollte. Von den beiden Angeklagten selbst kann das Geld nicht kommen, da sie zuvor erklärt hatten, ausschließlich von Sozialhilfe zu leben. Die 20 000 Euro liegen auf einem Treuhandkonto eines Verteidigers, der bereits, wie er vor Gericht ausführte, begonnen habe, den Opfern einen Teil des Schadens auszugleichen.

Als nach dem "Vorgeplänkel" dann der Vorsitzende Richter in der Pause zwei dicke Kommentarbücher zur Erhöhung unter das Mikrofons stellte, wurde klar, dass die Verkündung des Urteils - die im Stehen vorgenommen wird - nicht verschoben würde. Mit den Strafen blieb das Gericht etwa um ein Drittel unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft, die sechs Jahre und neun Monate bzw. sechs Jahre und drei Monate für die Haupttäter gefordert hatte. Für die Angeklagten sprach, wie das Gericht in der Begründung ausführte, dass sie umfängliche Geständnisse abgelegt hatten und in beengten finanziellen Verhältnissen leben. Auch will das Gericht "ehrliche Re-Sozialisierungsbemühungen" erkannt haben. Gegen sie sprachen etwa die Vorgehensweise, die auf eine hohe Beute ausgerichtet war, der hohe Organisationsgrad und vor allem die vielen einschlägigen Vorstrafen.

Ausdrücklich lobte das Gericht die Polizei, die "eine wirklich gute und schnelle Arbeit" geleistet habe.

(RP)
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