Leverkusen Macht und Pracht - ein Anschlag auf die Sinne

Leverkusen · Die Kölner Künstlerin Julia Bünnagel hat ihre Ausstellung beim Kunstverein Leverkusen speziell auf Schloss Morsbroich zugeschnitten.

 Im Halbschatten ihrer Kunst: Julia Bünnagel zeigt in den Remisen von Schloss Morsbroich ab heute ihre speziell für diesen Ort konzipierte Ausstellung. Die beginnt schon vor dem Gebäude.

Im Halbschatten ihrer Kunst: Julia Bünnagel zeigt in den Remisen von Schloss Morsbroich ab heute ihre speziell für diesen Ort konzipierte Ausstellung. Die beginnt schon vor dem Gebäude.

Foto: Uwe Miserius

Der Kunstverein Leverkusen hat seine Fahnen am Eingang zur eigenen Galerie in den Schlossremisen eingeholt und den Platz Julia Bünnagel überlassen. Die Künstlerin, die ihre Ausstellung speziell für den Ort konzipierte, hat selbst geflaggt. Eigentlich sind es eingeschnittene Kunstleder-Bahnen, die eine goldene und eine violette Seite haben. Farben, die für Pracht und Macht von Adel und Kirche stehen. Dass sie diese Außenarbeit "Unflag" nennt, ist ein erster Hinweis auf ihre Vorliebe für Titel, die mehrere Bedeutungen vermitteln und auf diese Weise zum Nachdenken zwingen.

Das trifft auch auf die raumfüllende Arbeit "Raw" zu. Der Titel heißt aus dem Englischen übersetzt "roh" oder "rau", ergibt andersherum gelesen das Wort "War" - Krieg. Marschierende Truppen, Kampfhandlungen und Kriegsmaschinerie hören Besucher dieses Raums, der von einem schwer zu ertragenden Klang erfüllt ist. Diese Geräusche der Macht hat die Künstlerin aus echten Schallplatten gefiltert. Vorausgegangen sei ihre härteste Recherche, sagt sie schmunzelnd. Denn sie wählte LPs mit Marschmusik, bearbeitete sie mit Lack, bohrte Löcher hinein oder ließ sie im Feuer verformen. Was der Plattenspieler anschließend wiedergab, benutzte sie für ihre Soundcollage. "Wir sind visuelle Wahrnehmung gewöhnt", sagt Julia Bünnagel.

Doch tatsächlich werden Menschen permanent durch Geräusche beeinflusst, sei es durch Straßenlärm oder stimulierende Musik im Kaufhaus. Und im Gegensatz zu den Augen, die man zur Not schützend verschließen kann, müssen die Ohren alles aushalten. Obwohl die Schaumstoff-Spitzen der aufgestellten Akustikwände immerhin einiges vom Schall wegnehmen.

Die Künstlerin hat die Stelen wie abstrakte Skulpturen im Raum aufgestellt. Wenn sie auch nach akustischen Gesichtspunkten verteilt sind, so haben sie doch eine optische Wirkung. Sie haben die Form von Betonaufstellern, mit denen Gebäude geschützt werden. Abweisend wirkt die dämpfende schwarze Schaumstoffoberfläche mit vielen Spitzen.

Schmerzhaft für die Augen ist das flackernde Licht der Stelen im hinteren Raum. Es dauert einen Moment, bis der Betrachter die eingeschnittenen Buchstaben erkennt und zu Wörtern zusammensetzt, die von rechts nach links gelesen einen Appell ergeben: "The Message is simple: Think for yourself and question authority." Zu Deutsch: Die Botschaft ist einfach: Denk selbst und stelle Autorität infrage.

Heute, 14. September, wird um 19.30 Uhr Bünnagels Ausstellung "I'm not dancing - I'm fighting" (Ich tanze nicht, ich kämpfe) in den Remisen von Schloss Morsbroich eröffnet. Die Öffnungszeiten sind (bis 29. Oktober): Do/Fr 13 bis 17 Uhr, Sa/So 11 bis 17 Uhr und in der Kunstnacht, 13. Oktober, 18 bis 24 Uhr. An diesem Abend veranstaltet Julia Bünnagel um 19.30 Uhr eine Soundperformance im Spiegelsaal.

(mkl)
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