Leon stand mit seinem Zauberstab in der Hand auf einen Grabstein gelehnt, in der anderen hielt er einen Spaten. Die Szenerie wurde von einem Halbmond beleuchtet. Leons blitzförmige Narbe auf der Stirn schmerzte unerbittlich. Ja, er musste hier sein. Ganz nah bei ihm, sonst würde diese verflixte Narbe nicht so weh tun. Leon kniff die Augen zusammen und fasste sich mit der Hand an die Brille, um sie hochzuschieben

Leon wachte auf. Er war geschwitzt. Der Mund war trocken. Jetzt hatte er doch schon wieder geträumt, er sei Harry Potter bei einer dieser gruseligen Begegnungen mit Lord Voldemort. "Muss die Vorfreude auf den neuen Potter-Film sein, der jetzt im Kino anläuft", murmelte Leon, nahm einen Schluck Wasser aus dem Glas auf dem Nachttisch und legte sich wieder hin. "Kann mich gar nicht daran erinnern, dass Harry Potter dabei jemals einen Spaten in der Hand hatte", dachte Leon beim Einschlafen.

Leon Lützenkirchen wohnte immer noch in der Leichlinger Straße, hatte immer noch zu viel Speck auf den Rippen und war immer noch in die hübsche Lisa Kullenberg aus der Parallelklasse verliebt und wollte immer noch dringend Detektiv werden, wenn er mal groß war. Nur zwei Dinge hatten sich nach der sensationellen Aufklärung des Mini-Bagger-Diebstahls auf der ECE-Baustelle vor mehr als einem Jahr geändert: Erstens war Leon dreizehn geworden — ein Jahr näher am Erwachsensein also.

Und zweitens war Leon seit der Mini-Bagger-Geschichte der Chef der Leverkusener Luchse, der Detektivbande schlechthin. Denn immerhin hatte er den Grips und sein Kollege Mirko Müller-Brinen die Ausrüstung, um jeden, aber auch wirklich jeden Fall aufzuklären. Und: Lisa Kullenberg war die Dritte im Bunde. Die hatte Leon am nächsten Morgen ganz aufgeregt an der Strippe. "Die Luchse müssen sich ganz dringend treffen", tuschelte Lisa in rasendem Tempo in die Telefonmuschel.

"Warum flüsterst du denn?", fragte Leon, dem der Spaten-Traum noch im Kopf rumspukte, und rieb sich die Augen. "Ich bin nicht alleine", wisperte Lisa noch leiser. "Also wann und wo? Und rufst Du Mirko an?" Das Trio traf sich am Nachmittag vor der Aloysius-Kapelle in Opladen. Die beiden Jungen, denen es viel zu heiß war in diesen ersten Sommerferienwochen, hätten sich lieber in der Eisdiele ein Stück die Fußgängerzone runter treffen wollen, aber Lisa hatte vor zu vielen Lauschern gewarnt. "Was issn nun so spannend?", gähnte Mirko, der schon morgens mit seinem neuen Rennrad unterwegs gewesen und nun fix und fertig war. "Ihr werdet's nicht glauben, aber ich weiß ganz sicher, dass irgendwo unter der Stadt ein dicker, fetter Batzen Geld vergraben ist", sagte Lisa geheimnisvoll. Die Bombe war geplatzt. Die Luchse auf neuer Spur. (Fortsetzung folgt)