Tagebuch eines 16-Jährigen Als junger Flakhelfer den Krieg überlebt

Leverkusen · Manfred Zans (91) hat damals seine Erlebnisse aufgeschrieben und übergibt seine Tagebücher dem Stadtarchiv.

 Als „Kindersoldat“ im Einsatz: Manfred Zans bediente als 16-jähriger Flakhelfer im Zweiten Weltkrieg das Luftabwehrgeschütz.

Als „Kindersoldat“ im Einsatz: Manfred Zans bediente als 16-jähriger Flakhelfer im Zweiten Weltkrieg das Luftabwehrgeschütz.

Foto: Manfred Zans

Es war ein warmer, sonniger Frühlingstag, doch die vermeintliche Idylle täuschte. Plötzlich heulten Sirenen. Fliegeralarm. „Wir sahen den Bomberverband aus dem Bergischen kommen“, berichtet Manfred Zans (91) über seine Kriegserlebnisse. Auch im siebten Jahrzehnt nach Kriegsende erinnert er sich an sie, als wäre es gestern gewesen. Schüler der Jahrgänge 1926 bis 1928 wurden ab Mai 1943 zur Unterstützung der Flaksoldaten eingezogen. Unter ihnen war auch Manfred Zans, mit 16 Jahren fast noch ein Kind. Als er die Mittelschule an der Rathenaustraße verließ, um die dritte Batterie in Schlebusch zu unterstützen, war seine Jugend schlagartig beendet.

Als einer der letzten Zeitzeugen ergänzte er jetzt das örtliche Geschichtsbuch um einen wichtigen Abschnitt. Denn seine Geschichte spielte in Leverkusen. Die Tagebücher von einst, geschrieben in einer Mischung aus kindlicher Naivität, typischem Jugendjargon und militärischer Sprache, hat er beim Stadtarchiv hinterlegt.

„Wir sichteten einen Verband mit 17 Maschinen vom Typ Boeing B-29 Superfortress, ein weiterer Verband mit 25 Maschinen war etwas dahinter.“ In einem DIN-A-5-Heft hielt er seine Erlebnisse fest. Etwa 300 amerikanische Langstreckenbomber, die zu den größten und leistungsfähigsten Flugzeugen des Zweiten Weltkriegs zählten, hatten am Mittag des 22. Februar die Stadt Schweinfurt angegriffen, um die dortige Rüstungsindustrie zu vernichten. Anschließend wollten sie über den Kölner Raum in ihre Standorte zurückfliegen. Doch hatten sie offenbar die Leverkusener Einheiten nicht auf dem Zettel.

Zwei von 18 Geschützen waren am Kurtekotten in Wiesdorf, ein weiteres Am Telegraf in Schlebusch stationiert. Die deutsche Flugabwehr hatte zuvor exakt berechnet, wie alle Granaten zur gleichen Zeit einschlagen konnten, obwohl sie aus unterschiedlichen Distanzen abgefeuert wurden. Die Rechnung ging auf. „Was folgte, war eine riesige Explosion. Acht Maschinen qualmten, vier brannten stark“, schrieb Zans am Abend in sein Tagebuch. „Gegen 15 Uhr wurde ein amerikanischer Bomber von der Flak über Schlebusch zum Absturz gebracht. Die Tragflächen fielen zwischen die Häuser an der Litzmann Straße (heute Mendelssohn Straße)“, vermerkte der Leverkusener Sicherheits- und Hilfsdienst in seinem Kriegstagebuch. Und notierte weiter: Der Rumpf und die Kanzel stürzten ins Waldgebiet südlich der Waldsiedlung. Acht Besatzungsmitglieder waren sofort tot, zwei wurden schwer verletzt. Einer davon erlag seinen Verletzungen im Krankenhaus Schlebusch, der zweite wurde im Krankenhaus Wiesdorf aufgenommen. Zwei amerikanische Soldaten waren mit dem Fallschirm abgesprungen. Einer wurde von der Polizei auf dem Dach des Hauses festgenommen, der zweite landete auf der linken Rheinseite, wurde zur Wache gebracht und später der Flakeinheit übergeben. Die Getöteten wurden auf dem Friedhof Manfort beigesetzt.

Zans erinnert sich an ein weiteres Ereignis: Einmal näherte sich ein englisches Flugzeug vom Typ „Mosquito“, und die Sirenen heulten. Doch nichts geschah. „Das Flugzeug war zu hoch“, sagt Zans. Tatsächlich waren „Mosquitos“ wegen ihrer hohen Geschwindigkeit und guten Höhenflugeigenschaften für die deutsche Luftverteidigung nahezu unangreifbar. Doch wenige Stunden später hörte der Leverkusener einen Bericht im verbotenen britischen Rundfunk. Dort hieß es, britische Bomberverbände hätten die Bayer-Werke angegriffen. „Das war glatt gelogen“, berichtet Zans. Er hatte sich nach drei Monaten Arbeitsdienst 1944 freiwillig als Offiziersbewerber gemeldet, damit er nicht an die Ostfront geschickt wurde. So gelangte er  nach Dänemark und Oggersheim (Rheinland-Pfalz).

Das Kriegsende erlebte der spätere leitende Bayer-Angestellte in Oberstdorf (Bayern), wo er sich mit fünf Kameraden in den Bergen versteckt hielt. Alle zwei Tage ging einer runter, um sich nach Neuigkeiten zu erkundigen. Zans: „Wir jubelten glücklich, als der Krieg beendet war und zum ersten Mal nach fünf Jahren wieder das Licht in den Ortschaften brannte.“

 Der Leverkusener Manfred Zans hat seine Kriegserlebnisse in Tagebüchern festgehalten.

Der Leverkusener Manfred Zans hat seine Kriegserlebnisse in Tagebüchern festgehalten.

Foto: Gabi Knops-Feiler

Alles in allem habe er Glück gehabt und überlebt, sagt Zans. Der Krieg hatte dem gebürtigen Wiesdorfer zwar seine Jugend gestohlen, aber seine spätere Ehefrau Hannelore geschenkt. Die beiden waren sich im Verlauf der Kriegswirren in Waldernach (Westerwald) begegnet. Im Mai 1950 schlossen sie den Bund fürs Leben und sind bis heute glück­lich verheiratet.

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