Interview Henning Adamek „Insulin-Engpässe sind derzeit kein Thema“

Leverkusen · Chefarzt Prof. Henning Adamek spricht über die Sorgen von Diabetikern in der Coronakrise.

 Henning Adamek beantwortet unsere Fragen über die Zusammenhänge von Covid-19 und Diabetes.

Henning Adamek beantwortet unsere Fragen über die Zusammenhänge von Covid-19 und Diabetes.

Foto: Klinikum

Herr Adamek, gehören Diabetiker zu den Corona-Risikogruppen?

Adamek Grundsätzlich ist jede chronische Erkrankung ein Handicap, und viele Diabetiker sind angesichts der Pandemie natürlich besorgt. Aber solange sie gut eingestellt sind und keine Begleiterkrankungen von Herz oder Lunge vorliegen, besteht kein höheres Risiko eines schweren Verlaufs bei einer Infektion als bei anderen Menschen. Auch hier gilt: Je jünger die Betroffenen sind, desto geringer ist die Gefahr. Zudem ist eine Grippe- und Pneumokokken-Impfung ohnehin empfehlenswert, nicht nur für Diabetiker.

Viele Betroffene fragen sich, ob es zu Engpässen bei der Versorgung mit Insulin kommen könnte. Wie schätzen Sie die Lage ein?

Adamek Die meisten Hersteller geben an, dass es nicht zu Lieferengpässen kommen wird. Das hängt aber sicher auch davon ab, wie lange und wie intensiv die Pandemie weltweit Produktionsstätten beeinflusst. Sollte der Zeitraum zum Beispiel ein Jahr andauern, wären Engpässe denkbar, aber kurz- und mittelfristig ist das kein Problem, weil Insulin im Gegensatz zu einigen Medikamenten oder Antibiotika nicht überwiegend in China oder Indien, sondern in Deutschland produziert wird.

Wie sieht es bei der Messtechnik oder Insulinpumpen aus?

Adamek Viele nutzen heutzutage moderne Sensorensysteme, die den Gewebezucker zum Beispiel an Bauch, Oberarm oder Oberschenkel messen und die Daten auf das Smartphone übertragen. Die Hersteller geben derzeit ebenfalls Entwarnung und schließen Engpässe weitgehend aus. Aber auch das ist eine Frage, die mit der Dauer der Pandemie zusammenhängt. Je länger die Coronakrise andauert, desto möglicher werden Probleme in der Produktion. Daher ist es ratsam, ein Ersatzgerät mit klassischen Teststreifen bereitzuhalten.

Sollten sich berufstätige Diabetiker mit Begleiterkrankungen, die einen schweren Verlauf der Viruserkrankung begünstigen könnten, aus Infektionsschutzgründen im Moment vielleicht lieber krankschreiben lassen?

Adamek Das kommt auf den jeweiligen Beruf an. Zum Beispiel sind Menschen, die im Supermarkt an der Kasse arbeiten, einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt. Das gilt auch für viele andere Tätigkeiten, die vergleichsweise direkten Kontakt mit Menschen erfordern. Krankschreibungen sind aber Entscheidungen, die im Einzelfall nur die jeweiligen Diabetologen oder die Hausärzte treffen können.

Gibt es valide Zahlen, wie viele Diabetiker in Leverkusen leben?

Adamek Da kein zentrales Patientenregister zur Verfügung steht, gibt es nur Schätzungen. Man geht davon aus, dass acht bis zehn Millionen Menschen in Deutschland Diabetespatienten sind. Das wären in etwa sechs bis acht Prozent der Bevölkerung. Übertragen auf Leverkusen wären das gut 10.000 Personen. Rund 90 Prozent haben Diabetes Typ II.

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