Altersmedizin in Corona-Zeiten „Die alten Menschen nicht vergessen“

Leverkusen · Altersmediziner Sascha Wihstutz warnt vor den Folgen der Isolation für alte Menschen in Zeiten der Corona-Pandemie. Es gibt ein strenges Sicherheitsprogramm im geriatrischen Krankenhaus St. Josef.

 Der Altersmediziner Sascha Wihstutz ist Chefarzt im St. Josef-Krankenhaus. Mit seinem Team achtet er neben den nötigen Vorsichtsmaßnahmen auch auf das psychiche Wohlbefinden seiner Patienten.

Der Altersmediziner Sascha Wihstutz ist Chefarzt im St. Josef-Krankenhaus. Mit seinem Team achtet er neben den nötigen Vorsichtsmaßnahmen auch auf das psychiche Wohlbefinden seiner Patienten.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

In den Alten- und Pflegeheimen dehnt sich die Zeit bis ins Unerträgliche. Besuchsverbot und weitere strikte Sicherheitsmaßnahmen bestimmen den Alltag aber nicht nur dort. Auch im geriatrischen Krankenhaus St. Josef gehen die Uhren seit Corana anders. Mit allen Mitteln versucht die Klinikleitung in einer Teamleistung mit 120 Mitarbeitern im Schichtdienst zu verhindern, dass das Virus eingeschleppt wird. Die Folgen für die derzeit 50 Patienten wären nicht absehbar.

„Wir hatten bisher großes Glück und keine Corona-Fälle“, sagt Chefarzt Sascha Wihstutz, „weder beim Personal, noch bei den Patienten. Auch personelle Engpässe etwa durch Quarantänemaßnahmen gebe es bisher nicht. Die Sicherheitsmaßnahmen sind umfassend, denn die Patienten gehören wegen ihres hohen Alters und zahlreicher Vorerkrankungen in doppelter Hinsicht zur Hauptrisikogruppe. Verdachtsfälle werden direkt in einen hausinternen Isolierbereich gebracht und dort eingängig befragt und untersucht. Sind sie transportfähig, werden sie unmittelbar auf eine spezielle Isololierstation  ins Opladener Remigius-Krankenhaus gebracht, das wie St. Josef ebenso zum Kplus-Verband gehört. Die Mitarbeiter wurden nochmals intensiv im Hygieneverhalten geschult, berichtet Wihstutz weiter. Ärzte- und Pflegekräfte tragen fortwährend Mundschutz und bei Verdachtsfällen auch Handschuhe und Schutzanzüge.

Mit 50 Patienten ist die Wiesdorfer Geriatrie derzeit nur zu 70 Prozent ausgelastet. Die Zuweisungen von Hausärzten und Kliniken – die weniger operieren und somit weniger Reha-Patienten schicken – hätten nachgelassen. Gleichwohl sei es wichtig, dass Geriatrien weiter funktionierten, sagt der Chefarzt. Vorschläge, Geriatrien und Reha-Zentren gänzlich für Corona-Patienten freitzuhalten, erteilt er eine klare Absage.  „Wir dürfen die andren Krankheitsbilder nicht vergessen.“ Behandlungen in sogenannten Stroke-Units nach einem Schlaganfall und weitere  Frührehabilitationen alter Menschen blieben weiter dringend erforderlich. Es sei „bedenklich und gefährlich“, Geriatrien  nun umzubauen.

Auch im psychologischen Bereich müssen die Mitarbeiter deutlich mehr leisten als sonst. Die Patienten halten sich im Schnitt  zwei bis drei Wochen in der Klinik auf – bei striktem Besuchsverbot. „Eine Ausnahme machen wir nur für Angehörige sterbender Patienten“, sagt Wihstutz. Zusatzprogramme der ehrenamtlichen Krankenhaushilfe fallen weg, und auch der Gitarrenspieler, mit dem die Patienten singen, kommt nicht mehr. „Es gibt viel Redebedarf und viele Patienten sind verunsichert“, sagt der Chefarzt. Ärzte und Pflegekräfte versuchten das durch vermehrte Gespräche und Zuwendung aufzufangen, doch gelinge das nicht im vollen Umfang. Insbesondere altersdemente Patienten leiden an der Isolation, sagt Wihstutz. Fernseher, Ergotherapie, Bibliothek und die Patienten-Cafeterria mit Zeitschriftenangebot bieten ein Mindestmaß an Abwechslung.

„Wir dürfen die Pandemie nicht unterschätzen“, sagt der Altersmediziner. Deshalb seien strikte Sicherheitsvorkehrungen wichtig.  Doch gelte es ebenso, die Folgen der Isolation im Blick zu behalten. „Wir dürfen die alten Menschen nicht vergessen.“ Das gelte übrigens auch im öffentlichen Bereich, etwa in Supermärkten: „Die Alten haben kein SUV und können keine Hamsterkäufe machen“, sagt Wihstutz.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort