Interview Rüdiger Scholz „Wir sollten das Leverkusen-Gefühl stärken“

Am 2. September ist „Tag der Heimat“. Der CDU-Landtagsabgeordnete spricht über einen schwierigen Begriff.

 Für Stadt und Verein – was die Bayer 04-Fans bei Heimspielen in der Nordkurve offen zeigen, will Rüdiger Scholz für die ganze Stadt: mehr „Leverkusen-Gefühl“.

Für Stadt und Verein – was die Bayer 04-Fans bei Heimspielen in der Nordkurve offen zeigen, will Rüdiger Scholz für die ganze Stadt: mehr „Leverkusen-Gefühl“.

Foto: Bernd Bussang

Was bedeutet Heimat für Sie?

Scholz Heimat ist für mich der Ort und die Region, in der ich aufgewachsen und zur Schule gegangen bin. Es ist der Ort, der mich mit den Ursprüngen meines Lebens verbindet. Ich habe mehrfach in anderen Bundesländern gearbeitet. Auch dort war es schön, ich habe interessante Menschen getroffen und die Geschichte und Kultur dieser Regionen kennengelernt. Aber schließlich bin und bleibe ich ein Rheinländer aus Leverkusen.

Sie sind Vorsitzender des Bundes der Vertriebenen in Leverkusen. Verbindet sich damit ein persönliches Anliegen?

Scholz Meine Eltern sind in den fünfziger Jahre aus der damaligen DDR nach Leverkusen gekommen. Meine Urgroßeltern stammen aus Schlesien. Der Bund der Vertriebenen pflegt heute vor allem das kulturelle Erbe der Landsmannschaften aus den verschiedenen Regionen und gibt es an künftige Generationen weiter. Aber auch die Erinnerung an die Umstände der Vertreibung und deren Ursachen sind ein wichtiges Anliegen des BdV.

 Am 2. September ist Tag der Heimat. Das Gedenken an Flucht und Vertreibung wird mit Ansprachen auf dem Manforter Friedhof begangen. Sind Kranzniederlegungen zu solchen Anlässen eigentlich noch zeitgemäß oder könnte man sich auch andere Formen des Gedenkens vorstellen?

Scholz Das Gedenken an Opfer ist immer zeitgemäß. Auch die Bundeskanzlerin hat bei ihrer Rede vor dem BdV die besondere Verantwortung gegenüber den Vertriebenen betont. Mit dem Gedenken wird auch an die Ursachen und Folgen erinnert und ein Beitrag zum friedlichen Zusammenleben der Menschen geleistet. In Leverkusen findet der Tag der Heimat seit 1950 ununterbrochen an der Gedenkstätte auf dem Manforter Friedhof statt, in diesem Jahr zum 69. Mal.

Sie sind vom NRW-Kulturministerium in das Kuratorium der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus berufen worden. Was ist dort Ihre Aufgabe?

Scholz Diese vom Land getragene Stiftung verfolgt den Zweck der Erhaltung, Darstellung und Weiterentwicklung der Kultur der historischen deutschen Ostgebiete und in den Herkunftsgebieten der vertriebenen Ostdeutschen. Darunter fallen die Behandlung deutscher Vertriebenen- und Aussiedlerprobleme in Wissenschaft und Forschung, die Erhaltung und Stärkung der kulturellen Identität der verbliebenen deutschen Volksgruppen in Mittel-, Ost- und Südosteuropa auf der Grundlage der Völkerverständigung und die kulturelle und gesellschaftliche Eingliederung Deutscher, die aus Ost- und Südosteuropa kommen. Außerdem leistet die Stiftung mit ihrer Arbeit  durch grenzübergreifende Projekte einen wichtigen Betrag zum friedlichen Zusammenleben der Völker. Die Arbeit der Stiftung ist auch deswegen wertvoll, weil sie in einem Bereich tätig ist, zu dem vor allem junge Menschen heute kaum noch einen Bezug haben.

Durch Migration und die Flüchtlingsdebatte bekommt der Heimatbegriff eine neue Aktualität. Manch einer fürchtet, seine Heimat könnte sich zu schnell verändern.

Scholz Genau dieses Thema hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im vergangenen Jahr aufgegriffen. Er hat die Politik dazu aufgerufen, die Ängste und Sorgen ernst zu nehmen und auf die Menschen zuzugehen. Er sagte „verstehen und verstanden werden – das ist Heimat“. Die Menschen, die sich um ihre Heimat sorgen, seien keinesfalls von gestern. In einer beschleunigten Welt ist das ein guter Ansatz.

 Anders betrachtet: Wieviel „Heimat“ dürfen Zuwanderer zu uns nach Deutschland mitbringen?

Scholz Jeder Mensch hat eine Heimat, die er im Herzen trägt, diese auf seine Weise pflegt und in Erinnerung behält. Das ist auch schon in früheren Jahrzehnten so gewesen. Viele Vereine, die einst von Migranten gegründet wurden, bereichern mit ihren Veranstaltungen das kulturelle Leben in Leverkusen. Das beste Beispiel ist das jährliche Europafest im Park von Schloss Morsbroich. Auf der anderen Seite nehmen seit vielen Jahren Vertreter des Integrationsrates am Tag der Heimat des BdV teil und zeigen damit, dass auch sie Interesse an der deutschen Geschichte haben. Wichtig ist es, dass die Menschen, die heute zu uns kommen, die deutsche Sprache lernen und sich schnell integrieren. So erhöhen sich ihre Chancen für eine gute Zukunft.

Was muss die Stadt Leverkusen tun, damit möglichst viele Menschen sie als „Heimatstadt“ betrachten können?

 Rüdiger Scholz (CDU) Foto: Miserius (Archiv)

Rüdiger Scholz (CDU) Foto: Miserius (Archiv)

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Scholz Im Jahr 1930 vereinten sich zahlreiche kleine Gemeinden zur Stadt Leverkusen, 1975 kamen dann Opladen, Bergisch Neukirchen und Hitdorf hinzu. In allen unseren Stadtteilen sind die Menschen stark vor Ort verankert, vor allem in den vielen Vereinen. Auch hier spiegelt sich Heimat wider. Das ist gut so. Trotzdem sollten wir noch stärker am Leverkusen-Gefühl arbeiten. Leverkusen ist ein starkes Stück Rheinland. Die 90-Jahr-Feier im Jahr 2020 bietet eine Möglichkeit, das „Wir für unser Leverkusen“ weiter zu entwickeln.

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