Amtsgericht Wenn sich die Zeugin nicht erinnert

Leverkusen · Diebstahl, Drogen, Schwarzfahren und Geständnisse – ein Vormittag am Amtsgericht in Opladen.

 Das Amtsgericht Opladen an der Gerichtsstraße: Hinter den historischen und modernen Mauern werden verschiedenste Straftaten verhandelt.

Das Amtsgericht Opladen an der Gerichtsstraße: Hinter den historischen und modernen Mauern werden verschiedenste Straftaten verhandelt.

Foto: Bernd Bussang

Die entscheidende Frage kann oder will die Zeugin nicht beantworten. Sie weiß einfach nicht mehr, ob sie gesehen hat, dass der Angeklagte seine Frau mit einem Stock geschlagen hat oder eben nicht. Dabei hatte sie bei der Vernehmung durch die Polizei noch angegeben, einen Stock erkannt zu haben. Diese Aussage wäre wichtig, wenn der Richter des Opladener Amtsgerichts das richtige Strafmaß finden will. Geschehen war Folgendes: Als die Zeugin eines Morgens im September 2017 das Haus verließ, hörte sie von einem Balkon, wie eine Frau laut nach Hilfe und nach der Polizei rief. Die Zeugin informierte die Ordnungskräfte. Diese rückten an und haben sich des Vorfalls an- und eine Anzeige aufgenommen.

Jetzt könnte der Richter einfach die mutmaßlich geschlagene Ehefrau fragen. Das geht aber nicht: Denn diese muss nach Aussage des Angeklagten just zum Gerichtstermin zum Arzt. Dabei ist eigens ein Dolmetscher bestellt worden, der die Angaben der gebürtigen Aserbaidschanerin hätte übersetzen sollen.

Das Opfer ist also nicht da, und die Zeugin ist ohne konkrete Erinnerungen – da kann hat sich mancher Beobachter am Amtgericht in Opladen wohl seinen Reim machen. Wenngleich die Ehefrau als Angehörige nicht zu einer Aussage gezwungen werden kann. Also geht es im Saal 5 des Opladener Amtsgerichts an diesem Vormittag nicht voran. Vertagt. In knapp drei Wochen aber soll endgültig der Vorfall soweit besprochen werden, dass mit einem Richterspruch das Verfahren beendet werden kann. Es ist Vormittag am Amtsgericht Opladen. Und die Fälle, mit denen sich die Justiz auseinandersetzen muss, sind aufgereiht wie Perlen an einer Schnur. Besonders mühsam sind Fälle, wo ein Angeklagter nicht zur Verhandlung erscheint – obwohl er eine lange Liste von Vorstrafen hat. Man spürt förmlich, ohne den Angeklagten gesehen zu haben, dass er es mit der Gerichtsbarkeit wohl nicht so ernst nimmt. Dem Richter bleibt nichts anderes übrig, als einen Strafbefehl auszustellen. Dann der Fall eines 28-Jährigen, der wegen Schwarzfahrens – Juristendeutsch: Erschleichung einer Leistung – auf dem „Sünderbänklein“ sitzt. Eine Verurteilung ist nicht zielführend, da sein karges Sozialhilfeeinkommen eine zusätzliche Geldstrafe nicht hergibt. Schon eine andere Vorstrafe hat er bisher nicht abgestottert. Und dreimal Schwarzfahren reicht nicht für eine Gefängnisstrafe. Aber einen Hinweis gibt der Richter ihm mit: „Beim nächsten Mal wird’s teurer. Verstehen Sie das als letzte Warnung.“

Diebstahl, Drogen, Körperverletzung, Urkundenfälschung – die Liste der zu verhandelnden Verfehlungen ist lang. Ein (nicht erschienener) Angeklagter hat keinen Führerschein, also keinen gültigen. Das bei einer Polizeikontrolle auf der Autobahn vorgelegte Papier fiel den Beamten gleich als Fälschung auf. Ein Angeklagter, der mit Kokain (zum eigenen Bedarf) erwischt wurde, gelobt Besserung. Schließlich sei er seit gut einem Monat Vater, da spüre er die Verantwortung. Und ein weiterer Angeklagter akzeptiert die etwas höhere Geldstrafe sofort, weil er einsieht, dass man nicht einfach einen fremden Motorroller nehmen und damit wegfahren darf.

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