Roswitha Arnold Stadt Leverkusen hat beim Museum Porzellan zerschlagen

Leverkusen · Zwei Jahre, nachdem die Stadt Leverkusen ein Wirtschaftsprüfer-Gutachten durchgewunken hat, das die Schließung des Museums Schloss Morsbroich empfahl, ist Roswitha Arnold noch immer erbost über dieses Verhalten.

 Die Vision: Hinter dem Wassergraben könnte im Park ein Zusatzbau entstehen, der unter anderem weitere Ausstellungsflä- chen beinhaltet. Er muss laut Museumsverein in Einklang mit geltenden Regelungen zum Denkmalschutz des Schlosses gebracht werden.

Die Vision: Hinter dem Wassergraben könnte im Park ein Zusatzbau entstehen, der unter anderem weitere Ausstellungsflä- chen beinhaltet. Er muss laut Museumsverein in Einklang mit geltenden Regelungen zum Denkmalschutz des Schlosses gebracht werden.

Foto: MUSEUMSVEREIN

Die Vorsitzende des Kulturausschusses und Chefin der Grünen-Ratsfraktion ist mit dem inzwischen erarbeiteten neuen Nutzungskonzept für das überregional bedeutendende Objekt jedoch hochzufrieden und zuversichtlich, das Museum dauerhaft zu retten. Heute geht es im Finanzausschuss darum. Morgen muss sie dann noch Kritiker in der eigenen Partei überzeugen.

 Die Vision: Hinter dem Wassergraben könnte im Park ein Zusatzbau entstehen, der unter anderem weitere Ausstellungsflächen beinhaltet. Er muss laut Museumsverein in Einklang mit geltenden Regelungen zum Denkmalschutz des Schlosses gebracht werden.

Die Vision: Hinter dem Wassergraben könnte im Park ein Zusatzbau entstehen, der unter anderem weitere Ausstellungsflächen beinhaltet. Er muss laut Museumsverein in Einklang mit geltenden Regelungen zum Denkmalschutz des Schlosses gebracht werden.

Foto: MUSEUMSVEREIN

Heute tagt der Finanzausschuss zum Nutzungskonzept für Schloss Morsbroich. Es soll helfen, das Museum zu retten, indem das Schloss u.a. rentabler gemacht wird. Die Stadt hat einen renommierten Marktveranstalter an der Hand. Sind das für Sie tragbare Veränderungen?

Arnold Absolut. Wir haben in Leverkusen nicht viele solcher Orte, die mit Stadtgeschichte, Kultur, Landschaft und urbanem Leben Identität stiften. Alle Bausteine im Nutzungskonzept sind die Voraussetzung dafür, das gesamte Ensemble von Museumsgebäude, Park und Remisen wieder zu einem gesamtstädtischen Kristallisationspunkt zu machen und gleichzeitig eine innerstädtische Verbindung zum Ortsteil Schlebusch zu schaffen. Ich erwarte nicht von jedem, sofort und uneingeschränkt Fan von zeitgenössischer Kunst zu sein. Diese hat es eh schwer, sich gegen den Mainstream bekannter Genres zu behaupten. Deshalb ist es so wichtig, Wege zu finden, Menschen auch außerhalb musealer Veranstaltungen zu erreichen. Um Besucher mit unterschiedlichen Interessen anzulocken, bieten qualitativ hochwertige Märkte hierzu eine ausgezeichnete Chance. Schließlich ist der Baustein "Qualitätsvoller Markt" auch verwoben mit Angeboten für andere Zielgruppen, so kommtetwa dem Spielplatz auf dem Gelände besondere Bedeutung zu. Auch dieser muss am richtigen Ort und Anziehungspunkt sein, der sich abhebt.

Als Andrea Bocelli 1997 Tausende in den Schlosspark zog, waren die Museums-Spitzen nicht begeistert. Ist die Idee der Kunst ohne Kommerz-Gedanken für das Schloss überholt?

Arnold Das ist ja mehr als 20 Jahre her, seitdem hat sich die Welt schonzehn Mal gedreht. Heute wissen alle Museumsleute, dass man aus vielen Richtungen kommen muss, um Menschen an Kunst und Kultur heranzuführen und sie auch zu "Wiederholungstätern" zu machen. Die Erwartungen einer Freizeitgesellschaft haben sich in den letzten beiden Jahrzehnten gewandelt, und auch, wenn man nicht alles gutheißen oder jeder spontan geborenen "Lifestyle" Idee kritiklos hinterher jagen muss, so wäre es fatal, sich lediglich auf den Museumsauftrag zurückzuziehen. Das haben die Museumsdirektoren in der jüngeren Vergangenheit genau so wie die aktuelle Museumsspitze auch nie gemacht. Dass kommerzielle Angebote im Umfeld von Museen nicht zwangsläufig zum "Disneyland" führen, sieht man landauf landab und ja auch hier in Leverkusen, zum Beispiel beim "Morsbroicher Sommer". Und in der Region zeigen Beispiele von Schloss Dyck in Jüchen oder der Skulpturenpark Waldfrieden in Wuppertal, wie man kulturelle Institutionen und Denkmäler durch Aktionen und Veranstaltungen mit der Umgebung verbindet und hoch attraktiv macht - ohne Abstriche an der Qualität hinzunehmen.

Was soll der in Erwägung gezogene Bau einer neuen Kunsthalle denn dann noch bewirken?

Arnold Fakt ist, dass die Ausstellungsbedingungen im derzeitigen Museumsgebäude nicht gut sind. Viele Leihgeber lehnen es ab, ihre Kunstwerke an das Museum zu geben, aus Furcht, wegen der fehlenden Klimatisierung würden die Arbeiten Schaden nehmen. Hinzu kommt, dass es bei der Anzahl möglicher Besucher auch im Hinblick auf die räumliche Situation Begrenzungen gibt. Wenn wir nun zusätzliche Räume der unteren Etage vermarkten wollen, um Einnahmen zu erhöhen, muss man sich nach meiner vollen Überzeugung auch Gedanken über künftige Präsentationsmöglichkeiten und -flächen machen. Die Vorschläge zu einer höheren Wirtschaftlichkeit des Museumsensembles würden ansonsten vor dem inhaltlichen Aspekt Stopp machen. Mit einem Erweiterungsbau hätten wir eine große Chance, mit anderen zeitgenössischen Museen Schritt aufzunehmen. Im Neubau, von Anfang an mit aktueller und nachhaltiger Technik klimatisiert, können Ausstellungen gezeigt werden, die im vorhandenen Haus gar nicht möglich sind. Eine neue Ausstellungskonzeption für dieses Haus würde folgen, die Ausstellungen mehr Besucher anziehen. Das gilt auch für das historische Museumsgebäude, in dem dann ja vornehmlich der Sammlungsbestand des Museums gezeigt würde. Damit wäre die Hülle, bestehend aus Gebäude, Vermarktung, Parknutzung, Restauration, Remisen und Kunstverein, mit besseren Bedingungen für die musealen Inhalte verknüpft. Deshalb hat sich unsere Fraktion mit Nachdruck mehrheitlich dafür ausgesprochen, auch diesen Baustein des Nutzungskonzeptes mit in die weitere Prüfung einer möglichen Realisierung aufzunehmen. Damit ist definitiv kein Beschluss für den Bau einer neuen Ausstellungshalle verbunden. Wir wissen heute einfach noch nicht, mit welchen Zahlen, Daten und Fakten wir es zu tun haben werden. Alles muss auf den Prüfstand, die Kosten müssen verifiziert werden, es muss belastbare Aussagen über Förderungen geben und wir müssen auch wissen, ob es genügend private Finanzierungshilfen geben wird, wie sicher diese für die Zukunft sind; wir wollen wissen, wie sich das voraussichtliche Betriebsergebnis des Museums und wie sich der Kulturhaushalt insgesamt darstellt. Diese und weitere Fragen sollen jetzt geprüft und beantwortet werden, um eine künftige Entscheidung vorzubereiten. Diese Prüfung jetzt schon aus dem Rennen zu werfen, würde bedeuten, den vierten Schritt vor dem ersten zu tun.

Aber gerade in Ihrer Partei ist die Halle doch umstritten. Es wird morgen sogar eine Abstimmung der Mitglieder geben. Sind Sie zuversichtlich, dass Ihre Position sich durchsetzt - und würden Sie sich an ein Mehrheitsvotum überhaupt gebunden fühlen?

Arnold Ich glaube nicht, dass sich unsere Positionen groß voneinander unterscheiden. Klaus Wolf befürchtet, dass man mit dem Ratsbeschluss am 26. Februar nicht mehr von dem Erweiterungsbau wegkommt. Aber auch er möchte eine Prüfung der finanziellen Bedingungen und Wirkungen, die mit einem Erweiterungsbau einhergehen. Als Kulturfrau schlägt natürlich mein Herz für das Museum; gerne möchte ich dazu beitragen, dem Haus die Chancen geben, die es verdient und die wir inhaltlich und strukturell einräumen können. Ich bin davon überzeugt, dass die Verfasser des Gutachtens genau die richtigen Vorschläge präsentiert haben, damit das Museum Morsbroich und die gesamte Liegenschaft im Sinne der gesamten Stadt zukunftssicher wird. Und dazu gehören auch die Überlegungen zu einem Erweiterungsbau. Wir Grüne werden in unserer Mitgliederversammlung wie gewohnt das Thema mit Wissen und politischem Gespür diskutieren; als leidenschaftliches und langjähriges Mitglied der grünen Fraktion werde ich meine Meinung auch einbringen. Am Ende wird es ein Votum geben, an das ich mich selbstverständlich binde.

Wird es das Museum in zehn Jahren noch geben?

Arnold Ich bin immer noch erbost darüber, dass die Stadt Leverkusen das Gutachten zu den Einsparvorschlägen in der Kultur hat passieren lassen; übrigens anders als in jedem anderen Fachbereich, in dem es Gutachten zu Optimierungsvorschlägen gegeben hat. Soviel Porzellan ist damit zerschlagen worden, sowohl bei den städtischen Kulturanbietern als auch in der freien Szene. Nahezu alle Kahlschläge konnten wir mit Mehrheit im Rat abwenden. Jetzt müssen wir in der Kulturpolitik gemeinsam voran gehen und alles daran setzen, das Museum zu unterstützen und auf dem Weg in die Zukunft begleiten. Nach der Diskussion im letzten Kulturausschuss bin ich guter Dinge, dass uns dies auch gelingt. Ja, es wird das Museum in zehn Jahren noch geben.

(RP)
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