Projekt in Leverkusen „Lebende Bibliothek“ – Bücher erzählen Geschichten

Im Bildungsforum waren die Menschen hinter ihren Büchern zu erleben. Vorurteile durch Begegnung zu bekämpfen ist der Sinn des Projekts.

 Beim Projekt „Lebende Bibilothgek (v.l.): Marie Fenske, Lale Akgün, Maria Titze, Sergej Aruin und Dietmar Knoben.

Beim Projekt „Lebende Bibilothgek (v.l.): Marie Fenske, Lale Akgün, Maria Titze, Sergej Aruin und Dietmar Knoben.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Manfort Wann trifft man schonmal einen ehemaligen Bankräuber oder eine Sportlerin der Paralympics? Genau,  so gut wie nie. Deshalb will Evelyn Tremel, Projektleiterin der „Lebenden Bibliothek“, Menschen miteinander „in Verbindung bringen, die sich sonst nicht begegnen würden“. In Kooperation mit dem Caritasverband Bonn und Leverkusen und dem Katholischen Bildungsforum Leverkusen entstand die Aktion „Lebende Bibliohek“, die am 1. Oktober im Bildungsforum unter der Leitfrage: „Was trägt mich im Leben?“ stattfand.

Wie in einer ganz normalen Bibliothek auch durfte sich jeder Besucher ein „Buch“ ausleihen. Mit dem einzigen Unterschied, dass das Buch nicht aus Papier besteht und stattdessen sprechen kann. Die Geschichte jedes Buches erfährt der „Leser“ von dem Menschen, der sie erlebt hat. Zum „Ausleihen“ standen am Freitag die „Bücher“: Lale Akgün, ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete, Marie Fenske, Kinderbuchautorin, Dietmar Knoben, saß für Banküberfall in der Justizvollzugsanstalt ein, Maria Tietze, Teilnehmerin der Paralympics,  und Sergej Aruin, Geschäftsführer beim Verein Akzeptanz, Vertrauen, Perspektive, zur Verfügung.

Nachdem der Leser ein „Buch“ ausgewählt hatte, durfte er es 30 Minuten lang im Dialog mit Fragen löchern. Akgün, die zudem Psychotherapeutin ist, war begeistert von der Idee. Die Politikerin und Autorin meint: „Mit Buch und Film habe ich mehr Menschen erreichen können, als mit einer politischen Rede. Die persönliche Ebene ist fassbarer, als abstraktes Reden.“ Dadurch bekomme man ein ganz anderes Bild von den Menschen, und es bringe die Gesellschaft zusammen.

Vorurteile und Diskriminierung durch Begegnungen bekämpfen – unter diesem Motto steht das Projekt, das ursprünglich aus Dänemark kommt. In rund 70 Ländern hat es sich seitdem verbreitet und ist in Deutschland sehr beliebt, berichtet Tremel. Über 400 lebende Bücher gebe es im „Archiv“. Da die Veranstaltung in Leverkusen stattfindet, ergebe es Sinn, „Bücher“ aus der Umgebung auszusuchen, damit „Menschen die Möglichkeit haben, sich kennenzulernen“, sagt Güren Cöcü, Integrationsbeauftragter der Caritas Leverkusen. Mit ihren „Büchern“ geht Tremel mitunter in Cafés, Schulen und Einkaufszentren, wo durch Zufall neue Begegnungen entstehen können. Neugierde treibe Menschen an, sagt Akgün. Sie ist auf die Fragen der Leser gespannt.

„Mich packt es jedes Mal“, sagt Knoben, wenn er seine Geschichte erzählt. Wiedergutmachung ist für ihn der Grund, warum er als „Buch“ teilnimmt, und warum er Menschen betreut, die im Leben auf Hilfe angewiesen sind. Ingrid Mennicken, Leserin der Bibliothek, faszinierte ihr Gespräch mit Knoben: „Es ist sehr erhellend, wenn zwei Menschen aus verschiedenen Lebensbereichen aufeinandertreffen.“ Sie beschäftigte die Frage: „Wie kommt so ein Mensch auf die schiefe Bahn?“

Und das „Buch“ Lale Akgün schließt fast schon poetisch an: „Das Leben ist ein Roman und kein Sachbuch.“

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