Sonntag Ausstellungseröffnung Rokoko und Gegenwart nähern sich an

SCHLEBUSCH · Eine neue Schau im Museum Schloss Morsbroich bezieht sich auf die Zeit der Unbekümmertheit vor 250 Jahren. Mit erstaunlichen Parallelen zum Jetzt.

 Ein Vorhang mit hübschen Glitzersteinen ist es aus der Entfernung betrachtet, aus der Nähe stellen sich im Objekt von Künstlerin Edith Dekyndt die Steinchen als scharfe Nägel heraus. Zu sehen in der Schau  „Der flexible Plan. Das Rokoko in der Gegenwartskunst“ im Museum Morsbroich.

Ein Vorhang mit hübschen Glitzersteinen ist es aus der Entfernung betrachtet, aus der Nähe stellen sich im Objekt von Künstlerin Edith Dekyndt die Steinchen als scharfe Nägel heraus. Zu sehen in der Schau  „Der flexible Plan. Das Rokoko in der Gegenwartskunst“ im Museum Morsbroich.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Da wird einem doch ganz leicht zumute beim Betreten des ersten Ausstellungsraumes im Museum Morsbroich vor der wolkigen Installation von Karla Black. In ihrer zarten Pastellfarbigkeit ist sie geradezu symbolisch für ein Zeitalter, in dem Vergnügen, Unbekümmertheit und (Selbst-)Inszenierung im Vordergrund standen. Jedenfalls für die Mitglieder des Adels. Auf diese Zeit des späten 18. Jahrhunderts, in der Felix von Roll auch das Schloss Morsbroich vom barocken Bau zum üppig und verschnörkelt dekorierten Rokoko-Lustschloss umbauen ließ, bezieht sich die neue Ausstellung „Der flexible Plan. Das Rokoko in der Gegenwartskunst“, die am Sonntag eröffnet wird.

Darin nehmen 17 Gegenwartskünstler Bezug auf die Zeit, in der andererseits die Bedeutung der Wissenschaft zunahm und die mit der Französischen Revolution endete, um auf ganz unterschiedliche Art einen Bogen in die Gegenwart zu schlagen. Eine deutliche Parallele zur Epoche vor rund 250 Jahren ist jedenfalls in der Suche nach Zerstreuung und Zurschaustellung zu erkennen. Mit einem Video von strauchelnden Marathon-Tänzern am Rande der Erschöpfung, die sich im New York der 1920er-Jahre für eine warme Mahlzeit der Strapaze aussetzten, weist die Belgierin Edith Dekyndt auf heutige dümmliche Fernsehformate hin, die unreflektiert konsumiert werden. Die bewegten Bilder hat sie verborgen hinter einem schweren Samtvorhang, dem Sinnbild für Bühne, Maskerade und Inszenierung schlechthin. Zu denken geben die vermeintlichen Glitzersteine darauf, die in Wirklichkeit unzählige durch den Stoff gesteckte Nägel sind.

Andere schufen Verbindungen durch das Spiel mit Materialien, so wie Anke Eilergerhard, die drei Figuren aus altem Geschirr gebaut und mit farblich abgestimmten Creme-Tupfen versehen hat. Die sehen zwar so echt aus, als könne man daran naschen, sind jedoch aus Silikon, ein modernes Material, das mit dem historischen Weimarer Porzellan eine Verbindung eingegangen ist. Jeppe Hein (Schöpfer des Brunnens vor dem Schloss) hat einen Raum mit Neonlicht-Objekten bestückt, die jedoch ausgehen, sobald man sich ihnen nähert.

Thierry Boutemy hat zwei Kabinette mit floralen Arbeiten gestaltet. Wie vom Winde verweht scheinen in einem Blätter und Blüten über Boden und Wände verstreut und im nächsten baute er fedrige Pyramiden, die an die ausladenden Hochsteckfrisuren von Rokoko-Damen erinnern. Dazwischen steht ein verschnörkelter Spiegel, von ihm als Ort für Besucher-Selfies gedacht. Einen Eindruck von der Gesellschaft des Rokoko gibt Pia Stadtbäumer mit realistischen, aber verkleinerten Figuren, die mit sich selbst beschäftigt sind und zwischen denen es keine Konversation gibt. Fast wie der aktuelle Blick in ein Café; wo sich jeder mit seinem Smartphone begnügt.

Parallel werden am Sonntag zwei weitere Ausstellungen im Dachgeschoss eröffnet. Zu sehen sind 76 Linolschnitte von Markus Oehlen aus der Sammlung Morsbroich, ergänzt durch großformatige Leihgaben. Im Kabinett ist das grafische Ergebnis von Peter Pillers „Peripheriewanderung Leverkusen“ zu sehen. Mit dem Bus fuhr er jeweils bis zur Endstation, um an drei Tagen die Stadt zu erkunden.

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