Schüler verletzt: Nach Messerangriff in Wuppertal – Anklage gegen 17-Jährigen
EILMELDUNG
Schüler verletzt: Nach Messerangriff in Wuppertal – Anklage gegen 17-Jährigen

Azubi Social Day in Leverkusen Von der Büroarbeit zur Apfelernte

Leverkusen · Die Auszubildenden Julia Meeger und Fabrizio Rigano haben einen Tag lang den Beruf gewechselt und in einer Einrichtung für Suchtkranke geholfen.

 Julia Meeger und Fabrizio Rigano helfen bei der Apfelernte auf dem Faßbacher Hof, einer Einrichtung für Menschen mit Suchterkrankungen.

Julia Meeger und Fabrizio Rigano helfen bei der Apfelernte auf dem Faßbacher Hof, einer Einrichtung für Menschen mit Suchterkrankungen.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Am Anfang ist es nicht leicht für Julia Meeger. Sie schüttelt mit der Pflückstange an dem Apfelbaum, erst zaghaft, dann kräftiger. Doch alles, was heruntersegelt, sind Blätter und Äste. „Eigentlich soll ich die Äpfel ernten“, sagt die angehende Industriekauffrau. Sie zieht ihre Jacke aus, denn es wird immer wärmer im Garten des Faßbacher Hofs in Leverkusen. Draußen zu arbeiten, das sei sie nicht gewohnt. Meeger wird später acht Stunden am Tag im Büro sitzen, gerade hat sie ihre Ausbildung bei der Anton Clemens GmbH begonnen. Doch an diesem Donnerstagmorgen ist alles anders.

Es ist der Azubi Social Day der Industrie- und Handelskammer Köln, 59 Auszubildende aus 14 Betrieben helfen in sozialen Einrichtungen mit. Meeger und ihr Azubi-Kollege Fabrizio Rigano wurden zum Faßbacher Hof geschickt, einer Einrichtung für Menschen mit psychischer Erkrankung und Sucht in Leverkusen. 22 Bewohner leben dort, werden von Pflegern und Ergotherapeuten des Arbeiter-Samariter-Bund betreut. Heute ernten sie gemeinsam die Äpfel von der großen Obstbaumwiese – zumindest die, die Lust haben. „Die Bewohner können wählen. Kochen, Schreinern, Nähen, Basteln – alles ist möglich“, sagt der Ergotherapeut Andreas Velser. Ihm ist wichtig, dass jeder einen geordneten Tagesablauf erleben kann, Beschäftigung hat, Ziele. Freude, an dem was er macht.

Tobias* und Ralf*, zwei Bewohner, haben offensichtlich Spaß daran, Äpfel zu pflücken. Sie wirken gut gelaunt, scherzen miteinander. „Der Apfel sieht aber angefressen aus“, sagt Ralf. „Warum machst du denn so etwas, Tobi?“ Tobias lacht. Meeger und Rigano kennen ihre Geschichte nicht, sie wissen nicht, warum Ralf und Tobias in der Einrichtung für Menschen mit psychischer Erkrankung und Sucht leben. Doch sie merken, dass die beiden nicht „anders“ sind, nur weil sie Unterstützung benötigen.

Es ist eine Welt, die den beiden Auszubildenden zuvor verborgen war. „Die Arbeit ist anstrengend, aber macht auch total Spaß“, sagt Meeger. „Kann ja nicht schaden, mal was anderes zu sehen.“ Rigano nickt. Er wird mal Werkzeugmechaniker, steht acht Stunden am Tag in der Werkstatt, feilt, bohrt, schleift. Das könne schon eintönig sein. Aber es sei eben das, was er machen möchte. „Ich bin aber auch gerne draußen“, sagt der 18-Jährige. Er hebt einen Apfel vom Boden auf, betrachtet ihn. Ein Wurm hat ein Loch hineingefressen. Rigano wirft ihn wieder weg. Daraus können die Bewohner keinen Apfelsaft machen. „Wir verwerten hier alles, was im Garten wächst“, sagt Velser. „Aus den Tomaten machen wir Sauce, aus den Beeren Marmelade und aus den Äpfeln alles – vom Kompott bis zum Kuchen.“

Julia Meeger rüttelt jetzt fester am Baum. Und da fallen sie, die Äpfel. Sie schaut nach oben, lächelt – und weicht im letzten Moment noch dem Apfel aus, der beinahe in ihrem Gesicht landet. Sie muss lachen, Rigano auch. „Ist ein gefährliches Unterfangen hier, ne“, sagt Velser. Ein Duft zieht zur Apfelwiese, die Bewohner im Haupthaus haben gekocht. Gemeinsam gehen die Erntehelfer zum Haupthaus, Julia Meeger und Fabrizio Rigano etwas abseits von den anderen. Sie haben viel zu bereden. Es ist ihr erster Tag in einem sozialen Beruf. Und es wird nicht ihr letzter sein. Im kommenden Jahr helfen sie wieder am Azubi Social Day aus. „Ich werde deswegen meine Berufswahl natürlich nicht überdenken, aber das ist ja auch nicht das Ziel“, sagt Meeger. „Ich freue mich einfach, mal aus meinem Alltag rauszukommen.“ In eine andere Welt.

*Namen von der Redaktion geändert

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort