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Lesung im Leverkusener Funkenturm Per Ballon über den Todesstreifen in die Freiheit

Leverkusen · Ein Mann und seine Familie fliehen in einem selbstgebauten Heißluftballon in den Westen. Was nach der Handlung eines Hollywood-Films klingt, ist die Geschichte von Günter Wetzel. Er erzählte den Leverkusenern von seiner Flucht aus der DDR.

 Günter Wetzel berichtete am Dienstag im Funkenturm von dem Abenteuer seines Lebens.

Günter Wetzel berichtete am Dienstag im Funkenturm von dem Abenteuer seines Lebens.

Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

Beharrlichkeit und eine ganze Menge Glück – diese beide Zutaten ermöglichten Günter Wetzel, Peter Strelzyk und ihren Familien in der mondhellen Nacht des 16. Septembers 1979 die Flucht aus der DDR. Ihr Flug über die streng bewachte Grenze in einem selbstgebauten Heißluftballon schrieb Geschichte. Jene Geschichte trägt Günter Wetzel nun in die ganze Bundesrepublik, nachdem er sich viele Jahre zurückgezogen hatte. Am Dienstag war er im Funkenturm zu Gast.

Seine Erzählung dauerte etwa zwei Stunden. Sie fesselte die 70 Zuhörer an seine Lippen. Wetzel erzählte das Geschehene auch nach all den Jahren noch so lebendig, als sei er erst gestern aus der improvisierten und nur mit dicken Wäscheleinen gesicherten Eisengondel gestiegen. Er will Generationen von einem Regime erzählen, das sie bei der aktuellen Weltlage höchstens aus dem Fernseher kennen. „Jugendliche sollen erfahren, was es bedeutet hat, in der DDR zu leben“, sagt Wetzel.

Für den heute 66-Jährigen stand früh fest, dass er ausbrechen muss: „Es gab immer wieder Stiche, die daran haben denken lassen, zu flüchten. Aber die Gefährlichkeit hielt dann doch ab.“ So musste Wetzel seit seiner Kindheit mit Schikanen leben. Weil sein Vater in den Westen ging, als Günter Wetzel fünf Jahre alt war, wurden ihm häufig Steine in den Weg gelegt. Ganz zu schweigen von der unmöglichen freien Meinungsäußerung, für die man laut Wetzel in einem der harten DDR-Gefängnisse landen konnte.

Schier unglaublich scheint es da, dass ein Magazin aus dem Westen schließlich den Ausschlag für den Fluchtversuch gab. Eine Bekannte brachte Familie Wetzel die Illustrierte bei einem Besuch mit. Darin wurde über das Ballonfahrertreffen im US-amerikanischen Albuquerque geschrieben. Wetzel und sein Fluchtpartner Strelsyk glaubten, eine leichte und leise Methode gefunden zu haben, die Grenze unbemerkt zu überqueren. Wetzel: „Damals war eine gewisse Blauäugigkeit mit dabei.“ Das war am 8. März 1978.

Insgesamt drei Ballons schneiderte Wetzel binnen eineinhalb Jahren. Strelsyk gab vor allem das Geld. 60 Stoffbahnen aus Taftstoff zu je 35 Metern ergaben schließlich den bunten Ballon mit einem Volumen von 4200 Kubikmetern.

Zu diesem Zeitpunkt war bereits klar: Die Volkspolizei ist den Komplizen auf der Spur. Peter Strelzyk hatte zwischendurch versucht, mit Frau und Kindern in einem eigenen Ballon zu fliehen, nachdem Wetzel der Mut kurzzeitig verlassen hatte. Der Ballon stürzte ab, und die Behörden fanden ihn. Das verriet ein Suchaufruf in der Zeitung. „Die wollten uns nur Angst machen. Das hat uns nur noch mehr motiviert“, berichtet Wetzel heute.

Zum Start verwendeten die Familien in der Nacht des 16. September 1979 dann ein Gebläse, das Wetzel aus seinem Motorrad ausgebaut und modifiziert hatte. Für den Auftrieb sorgten vier Gasflaschen. „In diesem Moment gab es keine Angst. Wir haben einfach funktioniert“, beschreibt der 66-Jährige. Rund 2000 Meter hoch segelte der Ballon über die Grenze – so hoch, dass die Bodenscheinwerfer des Grenzschutzes den Ballon nicht erreichten. Kurz nach der unsanften Landung bei Naila in Franken, dann die Gewissheit: geschafft.

Aus der gut 2400 Seiten dicken Stasi-Akte von Günter Wetzel geht hervor: Nur rund sechs Tage später hätte der Staatsschutz die Flüchtlinge in der DDR verhaftet.

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