Rp-Serie Mein Verein (2) Lebensmut schöpfen trotz Erblindung

Leverkusen · Bettina Wigger hat mehr verloren als ihre Sehkraft. Im Blindenverein fand sie eine Aufgabe und neue Freunde.

 Bettina Wigger ist Vorsitzende des Blinden- und Sehbehindertenvereins Rhein-Wupper. Sie verlor vor 14 Jahren den Großteil ihrer Sehkraft.

Bettina Wigger ist Vorsitzende des Blinden- und Sehbehindertenvereins Rhein-Wupper. Sie verlor vor 14 Jahren den Großteil ihrer Sehkraft.

Foto: Ralph Matzerath

Opladen Sport ist weiterhin möglich. Ansonsten verändert eine Erblindung das gesamte Leben. Vieles, was vorher selbstverständlich war, funktioniert plötzlich nicht mehr. Bettina Wigger hat es selbst erlebt. Somit ist die 49-jährige Opladenerin geradezu prädestiniert, ihre eigenen Erfahrungen an andere Betroffene weiterzugeben. Trotz oder gerade wegen ihrer Krankheit übernahm sie den Vorsitz im Blinden- und Sehbehindertenverein Rhein-Wupper.

Es geschah vor 14 Jahren. Eine seltene neurologische Erkrankung, bei der die Sehnerven geschädigt werden, führte dazu, dass sie innerhalb von drei Monaten erblindete. Auf dem rechten Auge hat sie kein Sehvermögen, auf dem linken Auge 25 Prozent. Noch dazu ist ihr Gesichtsfeld wegen eines Glaukoms (Grauer Star) auf drei Grad reduziert. Zum Vergleich: Gesunde Menschen haben ein Sehradius von 180 Grad. Von ihrer Umwelt sieht sie nur wenig. "Mein ganzes Leben hat sich durch die Krankheit verändert", konstatiert sie. Schaufensterbummel ist zu anstrengend. Fahren mit Rad oder Auto undenkbar. Wigger: "Es ist vieles, das wegbricht." Beruf, Freunde und Bekannte, nennt sie als Beispiele.

Doch statt zu resignieren, hat sich die ehemalige Friseurin, die von Gesetzes wegen als blind gilt, eine neue Aufgabe gesucht. Gefunden hat sie diese einschließlich Freunde im Blinden- und Sehbehindertenverein. Dafür ist sie dankbar. "Der Verein hat mir geholfen und Möglichkeiten aufgezeigt, um selbstbestimmt leben zu können."

Blinde und sehbehinderte Menschen werden in Deutschland nicht gezählt. Allerdings lebten nach Schätzungen im Jahr 2002 in hierzulande ca. 1,2 Millionen sehbehinderte und blinde Menschen. Späterblindete wie Wigger sind zu Beginn meistens hilflos. Doch es gibt viele Hilfsmöglichkeiten. Davon abgesehen nennt Wigger ein Mobilitätstraining zur sicheren Orientierung in Gebäuden und im Straßenverkehr als unerlässlich. Denn: "Eine Stadt ohne Barrieren existiert nicht", verdeutlicht sie. "Und in Leverkusen fehlt so einiges." Etwa Querungshilfen unter Ampeln, die durch ein klackendes Geräusch signalisieren, wo Ampeln stehen. Taktile Elemente, also Bodenleitsysteme, fehlten in der Innenstadt ebenfalls.

"Immer muss erst was passieren, bevor sich etwas ändert", sagt Birgit Seehausen von der Selbsthilfe-Kontaktstelle der Stadt. "Das spricht dafür, dass wir den Beirat für Menschen mit Behinderung mit ins Boot nehmen und zusammen an Verbesserungen arbeiten." Die Nichtregierungsorganisation Europäische Blindenunion (EBU) vertritt 30 Millionen blinde und sehbehinderte Europäer, die tagaus tagein auf Barrieren stoßen. "Oft werden uns die einfachsten Dinge unmöglich gemacht", berichtet EBU-Präsident Wolfgang Angermann zum Thema: "Wie barrierefrei wird das Europa der Zukunft für blinde und sehbehinderte Menschen?"

Angesichts des demografischen Wandels dürfte Barrierefreiheit zwingend nötig werden. Auch weil im Alter mit zunehmender Erblindung zu rechnen ist: Fast zwei Drittel (64 Prozent) der Blindengeldempfänger sind über 65 Jahre und älter.

(gkf)
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