Steinbüchel Leben in der Derr-Siedlung

Steinbüchel · Jugendliche gewinnen beim bundesweiten Filmfestival Fish 08 mit dem Streifen „Fichtestraße – Unser Block“ zwei Preise. Überreicht wurden sie jetzt in Rostock.

Auf die Frage, was er mal werden möchte, antwortet Alex: „Rapper.“ Nach kurzem Zögern fügt er hinzu: „Oder irgendwas mit Autos machen.“ „Rapper“ ist auch bei seinem Kumpel Louis die Top-Antwort, gefolgt von „Fußballer“. Neuerdings könnten sich die Karrierepläne der beiden allerdings in Richtung „Filme machen“ gewandelt haben. Zumindest hat der Film „Fichtestraße – Unser Block“, den sie zusammen mit zwölf anderen Jugendlichen aus der Derr-Siedlung gedreht haben, beim bundesweiten Filmfestival Fish08 eine Silbermedaille gewonnen und den Preis für die beste Gruppenarbeit.

Gegenseitig interviewt

Entstanden ist der Film in einem Projekt des Treffs der Katholischen Jugendwerke Leverkusen, den es seit zehn Jahren in der Derr-Siedlung gibt. „Fichtestraße – Unser Block“ ist ein sehr ehrlicher, zum Teil drastischer Film über das Leben der Jugendlichen in der Hochhaussiedlung und vor allem über ihre Einstellungen zu Gott und der Welt. Mit einem kleinen Camcorder ausgestattet haben sie sich gegenseitig interviewt und dabei kein Blatt vor den Mund genommen. „Ich denke es war gut, dass wir bei diesen Interviews nicht dabei waren“, sagt Sybille Mall, pädagogische Mitarbeiterin der Katholischen Jugendwerke. „Sonst wären sie vielleicht nicht so authentisch geworden.“ Zur Authentizität des Films gehört, dass Vorurteile gegenüber Deutschen wie Ausländern ebenso zur Sprache kommen wie Vorurteile gegenüber Angehörigen dieser oder jener Religion. „Manches würde ich jetzt so nicht mehr sagen“, meint Noura, und ihre Freundin Dilan ergänzt: „Aber wir kennen uns ja und wissen was Spaß ist.Wer den Film nur so sieht, der weiß ja nicht wie wir denken.“ Tatsächlich sind es aber gar nicht die Szenen, in denen mit großen Gesten Sprüche geklopft werden, die einem unter die Haut gehen. „Was ist das Beste, was Dir passiert ist in Deinem Leben?“, wird Alex gefragt. Er hat nicht verstanden, fragt nach: „Hä?“ „Was bis jetzt Dein schönstes Erlebnis war?“ Für einen kurzen Moment weicht der Blick von Alex der Kamera aus. „Mein schönstes Erlebnis … gar nix, Alter.“ Erst nach einer kurzen Pause kommt ein „okay“ vom Kameramann, der aber nicht nachhakt. Gefördert wurde das Projekt vom Landschaftsverband Rheinland, dem Erzbistum Köln und der Sparkasse Leverkusen. „Dass wir mit drei Jugendlichen mehr als vom Veranstalter vorgesehen zum Filmfestival nach Rostock fahren konnten, verdanken wir den Gemeinden St. Franziskus, St. Nikolaus und St. Matthias“, so Mall. „Die haben Geld gesammelt.“ Über die Silbermedaille und den Preis für die beste Gruppenarbeit haben sich alle riesig gefreut. Der Film wurde auch von der Jury des deutschen Jugendvideopreises nominiert.

(RP)
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