Leverkusen/Düsseldorf Kunststoff – von Haute Couture bis Harley

Leverkusen/Düsseldorf · Auf der Kunststoffmesse K zeigen unter anderem Bayer MaterialScience und Lanxess überraschend praktische Entwicklungen.

 Zahnriemen der neuen Generation (am Hinterrad zu sehen) präsentierte Martin Mezger am Lanxess-Stand anhand einer Harley Davidson: "Kein Nachspannen, kein Schmieren nötig", verspricht er.

Zahnriemen der neuen Generation (am Hinterrad zu sehen) präsentierte Martin Mezger am Lanxess-Stand anhand einer Harley Davidson: "Kein Nachspannen, kein Schmieren nötig", verspricht er.

Foto: Currenta

Auf dem Weg zu Halle 6 der Düsseldorfer Messe fällt ein kleiner Swimmingpool mit plätscherndem Wasser auf. Unweit laufen Besucher mit einem Hockeyschläger durch die Gänge, den sie an einem Stand bekommen haben. Es ist Kunststoffmesse — und die Aussteller müssen sich teils viel einfallen lassen, um ihre Entwicklungen ganz plastisch zu präsentieren. "Es ist schwierig neue Werkstoffe zu zeigen", räumt Hartwig Meier, Leiter Forschung und Entwicklung Kunststoffe bei Lanxess, ein.

 Die "Ibrahimovi´c"-Schuhe mit Organoblech in der Sohle. Das Material kommt aus dem Sauerland.

Die "Ibrahimovi´c"-Schuhe mit Organoblech in der Sohle. Das Material kommt aus dem Sauerland.

Foto: Currenta

Statt nur Granulate und puderzuckerfein zerriebene Glasfasern in Glaspyramiden zu zeigen, gibt's unter anderem Fußballschuhe, ein chromglänzendes Harley-Davidson-Motorrad, ein mondänes Schlauchboot und eine Pommes-Fritteuse, die ohne Öl auskommt, am Lanxess-Stand zu sehen. Weil überall Lanxess drin ist.

 BMS zeigte das transparente "Cello 2.0".

BMS zeigte das transparente "Cello 2.0".

Foto: Currenta

Fußballfans freute es sicher, wenn auch Zlatan Ibrahimovi´c anwesend wäre. Ihm gelang ein spektakulärer Fallrückzieher beim Spiel Schweden gegen England Ende vergangenen Jahres. An den Füßen hatte er damals Nike-Fußballschuhe, in denen so genanntes Organoblech eingearbeitet ist — ein Verbundwerkstoff aus Kunststoff und Glasfaser. Hergestellt wurde diese "Zukunftstechnologie" (Meier) von Bond Laminates, einer Tochterfirma von Lanxess aus dem sauerländischen Brilon. "Ibrahimovi´cs Schuhe sind versteigert worden. Eigentlich hatte Lanxess da mitbieten wollen", sagt Meier schmunzelnd.

Ein paar Schritte weiter erläutert Dr. Martin Mezger (Anwendungstechnik Kautschuk), warum die Männerblicke anziehende Harley-Davidson am Lanxess-Stand steht: "Gummi ist nicht nur in Reifen, sondern auch in anderen Bauteilen." Das Motorrad hat einen Zahnriemen aus dem Lanxess-Kautschuk Therban, der in Leverkusen produziert wird. "Bei dem Riemen ist kein Nachspannen und kein Schmieren nötig, und er hat eine Lebensdauer von gut 250 000 Kilometern", preist Mezger an. Der Zahnriemen sei schon in einigen Autos und Motorrädern etwa von BMW im Einsatz.

Mezger spricht mit Begeisterung, lenkt den Blick zu einem mondänen Gummiboot (aus dem Stoff Baypren) auf ein Quadrat auf dem Boden. "Das ist Bodenbelag für ein Flugzeug. Eine Gummimischung mit eingebauter Feuerwehr", sagt er. "Der ist fett- und ölbeständig und flammenwidrig." Die Gummimischung eigne sich auch für Kabel oder zum Einbau in Schiffe, Museen und Bahnhöfe. Kurz zuvor hatte Hartwig Meier von Hochleistungskunststoffen berichtet, die mit Carbonfasern versetzt sind und so staubabweisend wirken.

Intelligente Materialien präsentiert auch Bayers Kunststoffsparte MaterialScience (BMS), die ihren Messestand als interaktive Traumwerkstatt gestaltet hat, bei der Besucher sich einbringen können — mit Visionen für die (Kunststoff-)Zukunft.

Die Träume, die BMS verwirklicht, sind aber keine Luftschlösser, sondern sollen helfen, das Leben unter anderem sicherer zu machen. Wie die so genannten Exoskelette, eine Stützhilfe für den menschlichen Körper, die etwa bewegungseingeschränkten Menschen beim Gehen hilft. "In Fukushima tragen Menschen, die am Reaktor die Entsorgung vornehmen müssen, zum Beispiel solche Exoskelette unter der schweren Schutz-Bleiausrüstung", sagt Eckard Foltin, Zukunftsentwickler bei BMS und deutet auf eine Art futuristischen Taucheranzug hinter einer Scheibe.

Ein Stück weiter steht ein Cello aus transparentem Kunststoff, ein Instrument, mit dem man Musik auch sehen kann. In den Prototypen, erläutert Foltin, sind LEDs und Mini-Beamter eingebaut. Die ermöglichen, dass Grafiken oder Videos auf dem vorderen Teil des Cellos gezeigt werden können. Auch Tönen kann so eine Farbe zugeordnet werden. Ein Cello-Konzert wird zum futuristischen Farbenrausch, die gute alte Wasserorgel zu einem kleinen Stück Nostalgie.

Von der Nostalgie, dass jedes Unternehmen wie im Elfenbeinturm arbeiten kann, hält BMS nichts. BMS-Chef Patrick Thomas betonte im Sommer, wie wichtig die Arbeit mit Partnern in Sachen Forschung und Entwicklung ist. Foltin sieht's genauso und zeigt an Exponaten, was aus der BMS-und-Partner-Entwicklungspipeline kommt: Materialien für neue Windkrafttechnik wie ein Mini-Windrad fürs Eigenheimdach, für Fensterrahmen mit dauerhafter Wärmedämmung, für die Isolation von Kühlboxen etwa für den Medikamententransport, für den Leichtbau wie bei dem Vorzeige-Solarflieger Solar Impulse, der rein mit Sonnenenergie die Welt umrunden soll. Pilot Bernard Piccard ist derzeit auf dem Boden geblieben. Er steht am Stand als Talkgast zur Verfügung.

Und ganz so schwer, Kunststoff in Szene zu setzen, scheint es doch nicht zu sein. Jedenfalls was Haute-Couture-Mode angeht: Bei BMS darf Frau ein sexy Designerkleid bewundern. Wie sich so etwas trägt? Das bleibt für die Besucherinnen vorerst ein inspirierender Traum. Eigentlich ganz im Sinne von BMS.

(RP)
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