Klavierbauer Jan Enzenauer Klang-Tüftler an Tasten und Saiten

Leverkusen · Mehr als ein Handwerk – ein Besuch in der Klavierbauer-Werkstatt von Jan Enzenauer zeigt die Vielfalt des Berufs.

     Jan Enzenauer zeigt Werkzeuge, mit deren Hilfe er den Resonanzboden eines Klaviers oder Flügels von der Rückseite aus optimieren kann. Das verbessert den Klang des Instruments.

Jan Enzenauer zeigt Werkzeuge, mit deren Hilfe er den Resonanzboden eines Klaviers oder Flügels von der Rückseite aus optimieren kann. Das verbessert den Klang des Instruments.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Klavier ist der Oberbegriff und gilt sowohl für das Piano mit den hochkant gestellten Saiten und den raumgreifenden Flügel. „Klavier“ (lat. clavis /Taste) beschreibt die Tonerzeugung, denn durch Drücken der Taste schlägt ein Filz bezogenes Hämmerchen auf die Saite. Das lernt man zuerst beim Rundgang durch die Werkstatt von Jan Enzenauer, in der die Flügel allerdings auch senkrecht stehen, aus Platzgründen. Und wie alle zur Reparatur oder Überarbeitung abgegebenen Instrumente auf Podesten mit leichtgängigen Rollen. Es sind alte, verschrammte Erbstücke darunter, die lange verstummt waren und wieder zum Leben erweckt werden wollen, neben einem fast neuen Bechstein-Piano, dessen Besitzer eine Verbesserung der Klanglichkeit wünscht.

Klaviere zu stimmen, ist Jan Enzenauers Haupttätigkeit. Aber das ist nicht nur eine Frage von sauberen Tönhöhen, die er mit dem Stimmschlüssel an den Saiten korrigiert. Intonation meint auch Klang, und der lässt sich nach den persönlichem Ansprüchen des Besitzers verändern, mit gewissen Einschränkungen durch Bauart und Qualität des Holzes. Der Klavierbauer kann mit technischen Tricks ein unerwünschtes Schnarren beseitigen, er kann den Sound weicher oder brillanter machen und ebenso den Anschlag verändern. Und er kann mit Gewichten auf der Rückseite des Resonanzbodens – das ist die Holzplatte, auf der die Saiten befestigt sind und die durch ihre Schwingung den Klang verstärkt – dafür sorgen, dass Klanglichkeit und Lautstärke einheitlicher werden von der höchsten bis zur tiefsten Lage.
„Deswegen ist für mich das Wichtigste, im Gespräch zu ermitteln, was der Kunde, der Spieler möchte“, erklärt Jan Enzenauer, der selbst erst relativ spät, nämlich nach einem Schulmusikstudium das Handwerk in der bayerischen Pianofortefabrik Seiler von der Pike auf erlernte.

 Blick ins Innere eines Klaviers.

Blick ins Innere eines Klaviers.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Es seien kleine Signale und Botschaften, aus denen er den Bedarf analysiere. Denn den meisten fällt es schwer, die eigene Vorstellung in Worte zu fassen und in die Sprache des Klaviertechnikers zu übersetzen. Die Kunden sind größtenteils Laien, die in ihrer Freizeit musizieren, beziehungsweise Schüler. Enzenauer wartet beispielsweise sämtliche Klaviere der Leverkusener Musikschule, und er kennt auch das Innenleben der Flügel in den Konzertsälen der Region. Die werden natürlich nicht wie die privaten nach individuellen Vorstellungen ausbalanciert, sondern so, dass sie auch für den nächsten Gastpianisten passen. Zumal sich manche Veränderungen, wie das starke Aufweichen des Klangs, nicht mehr nach Belieben rückgängig machen lassen.

Das hat beispielsweise Dirk Joeres als Pianist bei Auswärtskonzerten schon erfahren. Im Gegensatz zu dem meisten Musiker-Kollegen, die ihr eigenes Instrument dabei haben, muss sich sein Berufsstand stets auf ein fremdes einlassen und damit anfreunden. Mitunter mühsam oder gar unerfreulich, wie Joeres ausgerechnet in der Steinway-Stadt New York erleben musste. Wo sich Probleme in der Mechanik unmittelbar auf sein Spiel auswirkten, was für einen Musiker natürlich unbefriedigend oder gar ärgerlich sein muss. Im Glücksfall ist der Klaviertechniker nicht nur an seiner Seite, sondern versteht auch sein Anliegen und kann es dann sofort umsetzen.

Der Suche nach individuellen Lösungen und größtmöglicher Perfektion von Technik und Sound hat Enzenauer sein ganzes Leben verschrieben. Wenn er nicht in der Werkstatt tüftelt oder mit dem Stimm-Koffer auf Hausbesuchen ist, forscht er gemeinsam mit Hochschulen, quasi an der Schnittstelle zwischen Handwerk und Industrie. Ein von ihm entwickelter Flügel-Gussrahmen, der seine Namensprägung trägt, brachte nebenbei nützliche Erkenntnisse für die Autoindustrie. Damit lassen sich die Schwingungen der Auspuffanlage optimieren, so die vereinfachte Erklärung. „Wenn man Klavierbau ernst nimmt, weist es weit über das Handwerk hinaus“, so Enzenauers Erfahrung.

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