Leverkusen Bonbons kommen nicht in die Tüte

Kamelle ist nicht gleich Kamelle. Für kleine Bonbons bückt sich heutzutage niemand mehr. Eine Geschichte über Trends im Wurfmaterial, Karamell und die Versuchungen der Karnevalsmesse.

Das Wörterbuch sagt zu "Kamelle", es habe sich einst dabei um Karamellbonbons gehandelt. Wie gut, dass die Zeiten dieser Plombenzieher (fast) vorbei sind: Denn heute sind mit "Kamelle" längst nicht mehr nur Karamellbonbons gemeint. Auf den Ruf der auf Süßigkeiten erpichten Zuschauer werfen Karnevalsumzugsteilnehmer Weingummi, Schokolade, Pralinen, Würstchen, Flönz, Blömscher, Fußbälle und alles, was das Herz eines Karnevalisten sonst noch erfreuen könnte.

Doch wer entscheidet eigentlich, was auf den bunten Paraden geworfen wird? Norbert Roß, Senatspräsident der Opladener Altstadtfunken, legt vor allem auf eines Wert: Qualität. "Wir wollen lieber weniger, dafür aber umso hochwertigere Kamelle werfen", erzählt Roß, ein erfahrener Mann am Wurfmaterial (Roß: "Ein echter Karnevalist geht übrigens im Zug, er fährt nicht auf dem Wagen").

Inspiration auf der Messe

Seine Erfahrung: "Über die kleinen Bonbons freut sich kaum noch jemand, leider bleiben diese allzu oft auf den Straßen liegen." Weil sich dafür keiner mehr bückt, fahren die Altstadtfunken die kleineren süßen Geschosse zurück. Jedes Jahr besucht der Vorstand des Vereins die Karnevalsmesse. Dort lassen sich die Opladener Jecken — wie viele andere Karnevalsgesellschaften auch — von neuen Trends inspirieren. Vermutlich auch durch die ein oder andere Kostprobe — schließlich muss der Jeck ja auch wissen, was er dem jubelnden Volk an den Kopf — Pardon! — in die aufgespannten Tüten und Regenschirme wirft.

Norbert Roß, der Genießer, schweigt zu diesem delikaten Teil der Kamelleauswahl. Was letztendlich gekauft wird, wird gemeinsam im Vorstand entschieden. Ein Trend der letzten Jahre waren zum Beispiel mit dem Vereinslogo bedruckte Kamelle. So wusste ein jeder Kamellesammler gleich, bei wem er sich denn nun bedanken konnte. Insgesamt bestellen die Altstadtfunken rund 300 Kilogramm Kamelle bereits Ende Dezember. Das Wurfmaterial wird dann im Großmarktlager bis zur Verwendung verstaut. Das ist das Basismaterial, das aus der Vereinskasse bezahlt wird.

Alle feinen Zusätze, also das, was ein jeder Altstadtfunk als i-Tüpfelchen verschenken will, muss er selbst zahlen. Und ein echter Jeck tut das gerne. Am Samstag vor Rosenmontag werden die Gaumenfreuden auf die Wagen verladen. Doch Vorsicht! Alles sofort in die Menge werfen, ist quasi ein Tabu. Denn: Erfahrenen Karnevalisten wissen, dass das Tempo des Zuges manchmal schwer einzuschätzen ist, berichtet Roß. Deshalb muss man sich seine Kamelle gut einteilen, damit nicht schon weit vor Ende des Zuges das Ende der Kamelle erreicht ist.

Gut, wenn man den Roß kennt

"Besonders schön ist es, Freunde und Bekannte auf dem Zug zu treffen", erzählt Norbert Roß und legt dann ein Geständnis ab: "Diese bekommen dann eine extra Portion Kamelle." Na hoffentlich nicht nur die zähneverklebenden Karamellbonbons.

(RP)
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