Party im Seniorenheim 102. Geburtstag – mit Glücksmomenten im Herzen

Leverkusen · Käthe Zinner blickt auf ein bewegtes Leben zurück. In Frankfurt/Oder geboren, landete sie mit der Familie über Umwege im Rheinland

 Zur Feier des Tages war das Zimmer im DRK-Altenheim festlich geschmückt.

Zur Feier des Tages war das Zimmer im DRK-Altenheim festlich geschmückt.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Das Frühstück ist für Käthe Zinner die wichtigste Mahlzeit eines Tages. Ansonsten hat sie kein Geheimrezept für ihr langes Leben, bis auf eins: positiv denken, das Beste aus allem machen und immer bescheiden sein. Am Donnerstag feierte die älteste Bewohnerin des DRK-Altenheims Düsseldorfer Straße ihren 102. Geburtstag.

Der Feierraum war eigens für den kleinen Geburtstagsempfang hübsch hergerichtet samt Blumen und drei goldenen Luftballons mit den Zahlen 102. Besucher waren trotz strenger Hygienevorschriften erlaubt und kamen in Etappen. „Natürlich unterliegen auch wir den Corona-Regeln für Altenheime, müssen dennoch eine vernünftige Lösung für die Bewohner finden und an die jeweilige Situation anpassen. Die alten Menschen dürfen nicht auf der Strecke bleiben“, sagte Josef Peters, Kreisgeschäftsführer des DRK-Kreisverbands Leverkusen, am Rande des Festes.

„Das Virus hat uns alle im Griff“, bedauert die Seniorin, die seit vier Jahren im Heim lebt. Zwar nutzt sie den Rollator, ist abgesehen davon aber offensichtlich bei bester Gesundheit. Nach ihrer Meinung ist das ein dehnbarer Begriff. „Ich hatte viel Glück im Leben“, beschreibt sie. So alt zu werden gehöre nicht unbedingt dazu, denn es sei „Glück und Strafe zugleich“, sagt die Altersjubilarin. „Ich kann schlecht sprechen, wenig hören und riechen. Es sind viele Probleme, die man nicht sieht, aber die da sind“, offenbart sie und kann die Tränen nicht länger zurückhalten, während sie über ihre Vergangenheit spricht.

Der Erste Weltkrieg war gerade erst zu Ende, Prinz Max von Baden zum Reichskanzler ernannt und die Oktoberreformen am 28. Oktober in Kraft getreten, mit denen formell das parlamentarische Regierungssystem im Deutschen Kaiserreich eingeführt wurde. Einen Tag später – der 29. Oktober war ein Dienstag – erblickte die kleine Käthe in Frankfurt/Oder das Licht der Welt. Die Stadt in Brandenburg blieb ihre Heimat bis zur Flucht vor der Roten Armee im Jahr 1945. Zu dieser Zeit war sie bereits mit Ehemann Heinrich Zinner, einem ehemaligen Berufssoldaten, verheiratet. Außerdem hatte sie zwei ihrer insgesamt vier Kinder zur Welt gebracht.

Die Umstände der Flucht waren recht dramatisch. Berlin stand bereits unter Beschuss, es gab kaum noch Möglichkeiten zu fliehen. Es gelang dennoch. Mit Kinderwagen, einem Koffer und mit ihrer schwangeren Schwester konnte sich die kleine Familie über Berlin nach Mecklenburg durchschlagen. Später verbrachten sie weitere zwölf Jahre als Flüchtlinge auf einem Gut in Schleswig-Holstein. Unterdessen war Ehemann Heinrich in Kriegsgefangenschaft geraten. Nach seiner Entlassung bewarb er sich bei der Bahn und erhielt prompt eine Zusage, die kurz darauf wegen einer internen Umstellung hinfällig wurde.

Ein Bekannter vermittelte die Umsiedlung ins Rheinland. Heinrich Zinner erhielt eine Anstellung bei der Post in Opladen, so dass er gemeinsam mit der ältesten, damals 15-jährigen Tochter anreiste. Käthe und die anderen drei Kinder folgten drei Jahre später. In diesem Zusammenhang erinnert sich die Hochbetagte an eine erst gar nicht so lustige Episode: „Wir standen in Hamburg auf dem Bahnhof, um zu verreisen. Mein Mann stieg ein, der Zug fuhr ab, aber meine Kinder und ich standen draußen ohne Geld und ohne Fahrkarten. Der Schaffner erklärte, das passiere hier öfter.“

Die erste gemeinsame Wohnung lag in der Rat-Deycks-Straße. Während die vier Kinder ihre Mutter auf Trab hielten, kümmerte sie sich um den Garten und schloss zahlreiche Freundschaften, speziell in der evangelischen Kirchengemeinde Bielert. Im Laufe der vergangenen Jahre reduzierten sich die Kontakte drastisch, immer mehr Freunde und Bekannte starben. Auch den Ehemann, ja sogar zwei Kinder hatte sie inzwischen zu Grabe getragen. Und so bewahrt die Seniorin trotz einem langen Leben voller Leid bis heute immer noch die vielen kleinen Glücksmomente in ihrer Erinnerung und ihrem Herzen auf.

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