Leverkusen Junggeburth gräbt die Nachkriegs-Lieder aus

Leverkusen · Es wurde gesungen, geschunkelt und viel gelacht. Die Altstadtfunken Opladen hatten auch außerhalb der Karnevalszeit Spaß. Anlässlich ihres 16. Kleinkunstabends war Wicky Junggeburt im Funkenturm zu Gast. Der Ex-Prinz des Kölner Karnevals hatte aber diesmal nicht seinen Hit "Einmal Prinz zu sin" im Gepäck. Der 64-Jährige präsentierte alte Tonbandaufnahmen und stellte damit "De kölsche Fasteloovend 1955 bis 1965 in Wort und Ton" vor.

"Was das Besondere an diesen Aufnahmen ist? Sie sind einmalig", verkündete Junggeburt stolz. Sein Vater hatte im Jahr 1948 ein Radiogeschäft eröffnet. So sei er schnell mit der Aufnahme-Technik in Kontakt gekommen, berichtete das Urgestein des Kölner Karnevals. Urkölsch waren auch die Sänger, Kabarettisten und Büttenredner dieser Zeit. Als Junggeburt das Karnevalslied "Am Dom zu Kölle" anstimmte, kannte jeder im Publikum den Text. Damals noch von Willy Schneider gesungen, ist der Hit heute von den Bläck Föös zu hören. Die Radioaufnahmen spiegelten aber auch den Geist der Nachkriegszeit wieder. Mit vielen Anekdoten stellte der Künstler dar, wie es nach dem Krieg in Köln und Umgebung zuging.

Die Radioaufnahmen erinnern an ein Köln, von dem nicht viel mehr stand als der Dom. Leverkusen war besetzt von den Briten, und die erste Strophe der Nationalhymne war verboten. Mit dem Lied "Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien", gelang Karl Bebuer der Schlager des Jahres. "Die Leute machten das Lied zu ihrer Hymne, und die Allierten verstanden nichts", erinnerte sich Junggeburt.

Mehr als 500 Stunden Tonmaterial hat der Sänger von seinem Vater übernommen und digitalisiert. Dabei sind ihm auch Reden von Hans Hachenbach begegnet. Der Karnevalist, bekannt als "Doof Nuss", kam aus Bergisch Gladbach und war auch in Leverkusen sehr beliebt. Die rund 130 Gäste freuten sich, etwas in Gedenken an den im Jahr 2013 verstorbenen Künstler zu hören. "Der Abend ist ausverkauft, mehr Leute passen nicht in den Funkenturm", sagte Vorsitzender der KG Altstadtfunken Norbert Esser. Schon seit zwei Jahren hat die Karnevalsgesellschaft nun ihren Sitz in der neuen Bahnstadt. "Wir haben den Turm für einen Euro gekauft und dann saniert", erklärte Esser. Junggeburt zeigte sich begeistert über den Abend und die Location. Heute müsse er aber auch mal unangenehme Wahrheiten aussprechen dürfen, verkündete der Ex-Prinz. An diesem Abend berichtete er auch von den Problemen der Karnevalisten der Nachkriegszeit. Karl Kupper sei einer von ihnen gewesen.

Der Büttenredner trat schon unter Hitler kritisch gegenüber dem Regime auf, nach dieser Zeit sei er aber immer noch selten gebucht worden. Junggeburt erklärte, dass auch die Präsidenten der Karnevalsgesellschaft nicht entnazifiziert wurden. Eine Stunde null habe es also auch hier nicht gegeben. Mehr als 25 Jahre hat Wicky Junggeburt an der Digitalisierung der alten Aufnahmen gearbeitet. "Ich bin noch lange nicht fertig", betonte der Redner.

(sims)
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