Leverkusen Junge Schwergewichte hoffen aufs Klinikum

Leverkusen · Nicht nur Erwachsene, auch immer mehr Kinder sind zu dick. Die Kinderklinik baut derzeit ein neues Hilfsangebot auf.

Dr. Armin Stach, Oberarzt an der Kinderklinik am Klinikum, bespricht mit einer jungen Adipositas-Patientin und ihrer Mutter die von ihm vorgeschlagene Behandlung.

Dr. Armin Stach, Oberarzt an der Kinderklinik am Klinikum, bespricht mit einer jungen Adipositas-Patientin und ihrer Mutter die von ihm vorgeschlagene Behandlung.

Foto: Uwe Miserius

Früher war alles besser? Es gibt Situationen, da stimmt dieser Satz. Früher, sagt Ernährungsmediziner Dr. Wolfgang Simon, "vor 40, 50 Jahren, da waren Kinder sechs Stunden am Tag draußen. Heute sind sie es im Schnitt höchstens eine halbe Stunde." Bewegungsmangel ist programmiert.

Dr. Armin Stach, Oberarzt an der Kinderklinik am Klinikum, bespricht mit einer jungen Adipositas-Patientin und ihrer Mutter die von ihm vorgeschlagene Behandlung.

Dr. Armin Stach, Oberarzt an der Kinderklinik am Klinikum, bespricht mit einer jungen Adipositas-Patientin und ihrer Mutter die von ihm vorgeschlagene Behandlung.

Foto: Uwe Miserius

Dr. Armin Stach, Oberarzt an der Kinderklinik am Klinikum, nennt ein anderes Beispiel: "Bei den Bundesjugendspielen springen Kinder heutzutage im Weitsprung einen Meter weniger als vor einigen Jahren, dafür sind die motorischen Funktionen des Daumens ausgesprochen gut – weil viele Kinder sehr viel Zeit mit Computerspielen verbringen." Dieser Lebensstil, sagt Stach, ist einer der Gründe, der schon in jungen Lebensjahren zu krankhaftem Übergewicht (Adipositas) führt. Sehr dick zu sein und ein gestörtes Bewegungsverhalten in Kombination, "das führt zu Vermeidungsstrategien. Kinder scheuen sich zum Beispiel, in einen Sportverein zu gehen". Auftakt zu einem Teufelskreis.

Den will die Kinderklinik durchbrechen. Es laufen Planungen für ein besonderes Programmangebot für adipöse Kinder und Jugendliche. Wenn alles klappt, sich vor allem die Finanzierung stemmen lässt, sollen Betroffene ab September an einem einjährigen Therapieangebot teilnehmen können, das mit den vier Säulen psychologische Beratung, Ernährung, medizinische Begleitung und Sport versucht, Fett und seelische Narben schrumpfen zu lassen. Dass der Bedarf da ist, sehen Stach und seine Kollegin Angelika Alfes, Oberärztin der Chirurgie am Klinikum und Koordinatorin des Adipositaszentrums, deutlich. "Immer wieder melden sich Eltern im Zentrum und fragen, ob es auch Angebote für Kinder gibt", sagt Alfes.

Und auch die Zahlen sprechen für sich: In Leverkusen sind rund 270 Kinder und 1630 Jugendliche krankhaft dick. Alfes berichtet von einem 13-Jährigen, der vor einigen Jahren mit rund 200 Kilogramm Körpergewicht ins Klinikum kam und von einem 16-jährigen Mädchen, das 130 Kilogramm wiegt, darunter leidet und keinen Ausweg weiß. Alfes und Stach könnten noch viele Fälle aufzählen, "weil es für dieses Thema keine Anlaufstellen gibt", betont Alfes. Präventionsangebote seien da, "aber für Kinder, bei denen eine Prävention zu spät kommt, gibt es nichts". Sie würden zu Kuren geschickt, oft ohne die Eltern, und zu Hause bleibe dann alles beim Alten, weil die Eltern nicht mit ins Boot geholt werden.

Auch das soll bei dem angestrebten Programm in der Kinderklinik berücksichtigt werden. Stach: "Es bringt ja nichts, wenn die Familie weiter hochkalorisch isst. Sie muss mit auf den Zug aufspringen."

Aufspringen, um das Angebot angemessen aufbauen zu können, müssten noch Förderer. "Das wäre schon wünschenswert. Bisher fehlt eine Viertel-Arzt-Stelle, damit wir eine Adipositasambulanz und das Programm auf die Beine stellen können", berichtet der Kinderarzt. Den größten Teil der Kosten für das zwölfmonatige Programm trägt die Krankenkasse, die Eltern müssten einen Eigenanteil von 300 Euro für das Jahr aufbringen. "Wir wollen versuchen, durch Spenden sozialschwachen Familien am Ende des Trainingsprogramms den Eigenanteil zurückzuerstatten", sagt Stach.

Apropos Ende: Ist das Jahr um, hört die Betreuung nicht gleich auf. "Es gibt eine Phase, in der wir sehen, wie die Änderung des Lebensstils auch ohne Therapie funktioniert", erläutert der Kinderarzt. Und vielleicht haben die Teilnehmer des Programms danach auch wieder Lust, länger rauszugehen als die durchschnittlichen 30 Minuten pro Tag.

(RP)
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