Sally Perel im Heisenberg-Gymnasium Jude und Hitlerjunge in einem Körper

Leverkusen · Er ist Jude, war aber Mitglied der Hitlerjugend, damit er in Nazi-Deutschland nicht dasselbe Schicksal wie viele Juden erleiden musste. Sally Perel erzählt seine Geschichte im Heisenberg-Gymnasium.

 Ein Mann mit einer geteilten Seele: Sally Perel erzählte von seinem bewegten und bewegenden Leben zur Zeit des Nazi-Regimes.

Ein Mann mit einer geteilten Seele: Sally Perel erzählte von seinem bewegten und bewegenden Leben zur Zeit des Nazi-Regimes.

Foto: Uwe Miserius

Es ist laut und unruhig. Drei Jahrgänge des Werner-Heisenberg-Gymnasiums sitzen am Freitagvormittag in der Aula. Jeder weiß, was gleich passieren wird, doch niemand ist sich so ganz sicher, was ihn erwartet. Pünktlich um neun Uhr tritt Tim Adam, Schüler und Organisator der Veranstaltung, auf die Bühne und begrüßt den heutigen Gast: Sally Perel. Als dieser sich an den für ihn vorbereiteten Schreibtisch setzt, ist es schlagartig ruhig, und alle hören gebannt zu. Ein wenig Ehrfurcht und Faszination machen t sich unter den Zuschauern breit. Denn Sally Perel ist ein Jude, der den Massenmord an seinem Volk unter der Haut des Feindes miterlebt hat.

Als Kind ist er vor der Verfolgung der Nazis geflohen und wurde von seiner Familie getrennt. Im Alter von 16 Jahren wurde er dennoch gefasst, konnte seine Peiniger jedoch davon überzeugen, dass er Deutscher ohne jüdische Abstammung sei. Von da an lebte er in der Hitlerjugend, nahm am dazugehörigen Schulunterricht teil und kämpfte im Krieg für sein Land.

Der inzwischen 91-Jährige gesteht, dass in seinem Körper seitdem zwei Herzen schlagen und seine Seele geteilt sei. Einerseits war und ist er immer noch Jude, andererseits übernahm er das Aussehen und das Gedankengut der Nationalsozialisten. Seinen inneren Kampf und seine Zerrissenheit merkt man ihm in jedem seiner Sätze an.

"Ich versuche mich nun in die Rolle eines Geschichtslehrers zu versetzen, aber ich bin keiner", beginnt Perel seinen Vortag. "Doch wie sagte Regisseur Steven Spielberg doch einst? Zeitzeugen sind die besten Geschichtslehrer." Eine lockere Einführung in ein ernstes Thema. In der Hitlerjugend hat sich Perel mit der NS-Ideologie identifiziert. Abgesehen von der Vernichtung der Juden begann ihn dieses Gedankengut zu überzeugen. "Es wurde einem eingeflößt wie Gift und niemand hatte das Wissen, das Gelehrte kritisch zu betrachten", berichtet er.

Mittlerweile hat es sich der im heutigen Niedersachsen geborene Perel zur Aufgabe gemacht, die jüngeren Generationen aufzuklären. Dafür besucht er Schulen in Deutschland und in Israel, wo er heute lebt. Sein Ziel sei es, dass keine Generation mehr das durchmachen musste, was er durchlebt hat. Um seine Erfahrungen mit der Öffentlichkeit zu teilen, hat er sein Leben im Buch "Ich war Hitlerjunge Salomon" niedergeschrieben, das im Jahr 1990 verfilmt wurde. Dementsprechend beunruhigend sieht er die heutige politische Situation: "Es ist kaum zu glauben, dass Jugendliche heute wieder in Bomberjacken und Springerstiefeln dieselben Parolen schreien wie früher." Um entgegenzuwirken hat Perel den Vorsatz gefasst, dass er solange ihn seine Füße tragen, er weiter über sein Leben und sein Schicksal berichten wird .

(RP)
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