Michael Eichinger "Jeder Mensch hat etwas Heiliges"

Leverkusen · Heute wird der heilige Abend gefeiert. Ein religiöses Fest als Jahreshöhepunkt in einer Zeit, in der die Religion im Alltag immer weniger eine Rolle spielt. Wir sprechen mit Michael Eichinger (36), Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde St. Johannes Baptist und St. Heinrich in Leichlingen, über Heiliges.

 Pfarrer Michael Eichinger bei seiner Amtseinführung in Leichlingen.

Pfarrer Michael Eichinger bei seiner Amtseinführung in Leichlingen.

Foto: Ralph Matzerath (Archiv)

Woran ist auszumachen, welche Dinge heute noch heilig sind?

Eichinger Da hat sich einiges verlagert. Waren früher Kirchenräume automatisch heilig, wird das heute nicht mehr so von allen gesehen. Aber nach wie vor gibt es bei allen Menschen Dinge, die eine gewisse Ehrfurcht auslösen: zum Beispiel Beziehungen, aber auch Sachen, mit denen man etwas Besonderes verbindet oder die man von einer besonderen Person bekommen hat. Oder Orte, die einem am Herzen liegen und die einem damit heilig sind.

Stehen die Leute dann auch dazu, dass ihnen diese Dinge heilig sind?

Eichinger Das Wort "heilig" ist nicht mehr ganz en vogue. "Heilig" wird mit Kirche und Frommsein verbunden. Deshalb werden oft andere Worte verwendet. Wobei ich glaube, dass jeder etwas hat, das ihm besonders wichtig ist und das er nicht gerne opfert. Aber man redet nicht so offen darüber, weil man das, was einem heilig ist, schützen will. Bei Taufgesprächen wird meist klar, dass es das Kind ist, das den Eltern heilig ist. Bei Trauerfällen offenbart es sich, wenn die Menschen von einem verstorbenen lieben Angehörigen erzählen.

Was ist der Unterschied zwischen "heilig" und "himmlisch"?

Eichinger Der Unterschied ist gar nicht groß. Derjenige ist der Allerheiligste, der den Himmel ausmacht, nämlich Gott selbst. Wer ihn sucht, kann sich als heilig bezeichnen. So spricht der Apostel Paulus die Gemeinden an mit: "Ihr Heiligen." Der Himmel ist nur ein Bild für Gott oder den Ort Gottes. Und einen heiligen Kern hat jeder Mensch, denn er ist das Ebenbild Gottes. Damit ist jeder etwas Besonderes, etwas Einzigartiges und von Gott gewollt. Das fordert auch Respekt ein.

Ist es auch heute noch wichtig, Kindern beizubringen, dass es Heiliges im Leben gibt?

Eichinger Auf jeden Fall. Sie müssen ebenso wie Erwachsene wissen, dass es Orte und Dinge gibt, die von sich aus eine solche Ausstrahlung haben, zum Beispiel Kirchenräume. Dabei bemühen wir uns, deutlich zu machen, dass diese Räume etwas Besonderes ausmacht. Wir erzählen ihnen, warum uns ein Raum oder eine Sache heilig ist. Für uns Katholiken ist die Eucharistie das Allerheiligste und etwas Kostbares. Deshalb müssen wir den Kommunionkindern davon erzählen und zeigen, wie wir damit umgehen. Ebenso, wie man sich in einem Kirchenraum benimmt und bewegt.

Gehören Kniebeugen heute noch dazu?

Eichinger Für die vergangenen Generationen war das selbstverständlich. Ich lade die Kinder immer noch dazu ein, eine Kniebeuge zur Begrüßung Jesu in der Kirche zu machen. Denn wir glauben ja, dass Christus in der Eucharistie gegenwärtig ist. Auch Protestanten treten bewusst in einen heiligen Raum, das heißt. in die Gegenwart Gottes ein, wenn sie nach Betreten der Kirchenbank den Kopf zum kurzen Gebet senken.

Sollte Glaube oder das, was einem heilig ist, nach außen gelebt werden? Auch auf die Gefahr hin, dass dies von anderen angegriffen wird?

Eichinger Dass nicht alle die eigenen Überzeugungen teilen, ist normal. Und trotzdem darf jeder, was ihm wichtig und wertvoll ist, zum Ausdruck bringen, sofern es den anderen in seiner Freiheit nicht einschränkt. Was uns heilig ist, gibt uns Kraft und stärkt uns.

SUSANNE GENATH FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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