Leverkusen „Ich war kein politischer Sänger“

Leverkusen · Liedermacher Konstantin Wecker über Politik, Poesie, Publikum und das Recht auf die Innerlichkeit der Kunst.

LEVERKUSEN/MÜNCHEN Als Liedermacher am Klavier kennt ihn jeder, aber Konstantin Wecker ist in diversen Genres zu Hause. Er hat Theater- und Filmmusiken, unter anderem für die Fernsehserie „Kir Royal“, geschrieben, vertonte Musicals und Kindermusicals, veröffentlichte Romane, Kinderbücher, Gedichtbände und Hörbücher. Monika Klein sprach mit Konstantin Wecker vor seinem Gastspiel in Leverkusen.

Im Forum singen Sie alte und neue Lieder, wird das Programm ähnlich Ihrer neuesten CD?

Wecker Es werden viele Lieder von dieser neuen CD sein, darunter viele alte Lieder, weil die Leute mich in den letzten Jahren aufgefordert haben, wieder die schönen alten Sachen zu spielen. Was einen kurzfristig vielleicht auch beleidigt macht (lacht) sind jetzt die neuen nicht schön, oder was?

Hat es vielleicht damit zu tun, dass Ihr Publikum älter wird und sich gerne erinnert?

Wecker Natürlich hat das mit Erinnerung zu tun. Das Erstaunliche ist, jetzt zu sehen – und da bin ich sehr glücklich drüber – wie zeitlos die meisten meiner alten Lieder sind. Das merkt man daran, wie sie nahtlos auch in die jetzige Zeit passen. Wenn man überlegt, so ein Lied wie „Frieden im Land“, das könnte ich vor einem halben Jahr geschrieben haben, in der Schäuble-Ära. Das macht vielleicht auch ein bisschen traurig, wenn man das Gefühl hat, man hat überhaupt nichts bewirkt.

Das Lied hätte sicher auch in jede andere Zeit gepasst.

Wecker Genau, das eben ist immer das Verhältnis des Einzelnen zum Staat, und manchmal gibt es Zeiten, die lebendiger sind. Die 70er waren schon sehr besondere Jahre, was die Eigenständigkeit, das Engagement und das Teilnehmen der einzelnen Bürger anbelangt. Im Laufe der Geschichte war das überhaupt ein besonderes Jahrzehnt.

Sind Sie als politisch engagierter Mensch seitdem eher ruhiger oder distanzierter geworden?

Wecker Ich bin eigentlich noch unruhiger geworden. Wenn man sieht, wie sich alles wiederholt und merkt, dass etwas gefruchtet hat, vor dem man immer schon gewarnt hat, nämlich eine Form von medialer Gehirnwäsche. Da kommt eine Wut hoch, die mich noch engagierter macht und mehr teilnehmen lässt als vor zehn oder 20 Jahren.

Ihre Lieder aber sind noch feinsinniger und poetischer geworden, ist das kein Widerspruch?

Wecker Nein, das ist überhaupt kein Widerspruch. Das war ja auch früher schon so. Ich war ja nicht wirklich ein politischer Sänger. Ende der 70er, als es richtig rund gegangen ist in Deutschland mit Friedenskonzerten und großer Friedenskette, da habe ich eine Platte wie „Liebesflug“ gemacht und wurde auch entsprechend verrissen dafür. Erst viel später kam die Anerkennung. Damals hat man mir das Recht auf Innerlichkeit nicht zugestanden. Aber ich bin der Meinung, dass jede Kunst immer innerlich ist, es gibt nur manchmal Momente, wo man sein Engagement in Worte kleidet. Ich habe eigentlich immer schon beides gemacht, will ich damit sagen.

Sie sind ausgesprochen vielseitig, welches Genre ist Ihnen am wichtigsten?

Wecker Das Wichtigste ist mir nach wie vor die Bühne und meine Lieder. Es ist interessant, dass die meisten Schreiber ihre Gedichte am hochwertigsten einschätzen. Das liegt, glaube ich, daran, dass im lyrischen Ich am wenigsten rational vorgeht. Da passiert etwas, was aus einem raus muss. In einem Roman muss man die Ratio immer wieder einsetzen, beim Gedicht ist es ähnlich wie bei der Musik, die ist auch ein nonrationales Ausdrucksmittel und funktioniert trotzdem gut. Es ist doch schön zu sehen, dass vieles im Leben auch ohne Ratio funktioniert.

(RP)
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