Leverkusen "Ich fühle mich wieder sicher"

Leverkusen · Der Amoklauf von Winnenden hat bei Schülern, Lehrern und Eltern der Theodor-Heuss-Realschule einen Prozess zur Verbesserung des schulischen Alltags in Gang gesetzt. Erste Veränderungen wurden bereits beschlossen.

Ein wenig Furcht sei geblieben. "Aber ich fühle mich wieder sicherer", verrät Julius Grimmig. Vor zweieinhalb Wochen war das anderes. "Da hatte ich Angst", gibt der 10-Jährige zu. Angst, dass auch seine Theodor-Heuss-Realschule Tatort eines Amoklaufs wie in Winnenden werden könnte.

Die Tat am Mittwoch, 11. März, hat viel verändert an der Opladener Schule. Zunächst den Stundenplan: In allen Klassen wurde das Geschehen ausgiebig besprochen. Die mehr als 900 Schüler redeten, schrieben, malten sich alles von der Seele.

Die Ergebnisse präsentierten sie am Samstag in der Schule: um ihrer Solidarität mit Opfern und Hinterbliebenen Ausdruck zu geben und um Verbesserungen des schulischen Alltags anzuregen. "Neben der Verarbeitung lag ein Schwerpunkt auf der Frage, wie so etwas künftig verhindert werden kann", sagt Schulleiterin Jutta Hoede-Schneckenburger.

Eine konkrete Umstellung wurde an der Realschule bereits beschlossen: Ab nächstem Schuljahr kehrt in alle Klassen die Ordinariatsstunde zurück. Seit Jahren gibt es diese Stunde, in der Schüler und Klassenlehrer einmal pro Woche Themen außerhalb des Lehrplans besprechen, nur bei Fünft- und Sechstklässlern. "Das ist ein Beitrag, den wir leisten können, um pädagogische Arbeit in den Vorder- und Leistungsdenken zurück zu stellen", sagt Hoede-Schneckenburger. Mehr Gemeinschaft, weniger Leistungsdenken. Weniger Wirtschaftsbetrieb, mehr Menschlichkeit. Mehr Zuwendung, Führung, Menschenprägung statt Mobbing, Ausgrenzung, Notendruck. Das sei die Zielrichtung der Realschule.

Aber die Leiterin verweist auf viele Bereich außerhalb ihres Einflusses: "Wir haben mehrere Kollegen, die wegen Krankheit oder Schwangerschaft ausfallen. Ersatz zu bekommen, ist kaum möglich — ein nahtloser Übergang schon gar nicht." Die Heraufsetzung der Klassengrößen (an der Realschule: 32 bis 33 Schüler pro Klasse) lasse individuelle Betreuung kaum zu. "Hinzu kommt die politische Überbetonung des Notendrucks", sagt Hoede-Schneckenburger. "Aber wir haben es mit keiner Ware, sondern mit Menschen zu tun."

Auch Eltern hat die Realschule in die Überlegungen zur Verbesserung einbezogen. Sie wurden aufgefordert, Vorschläge schriftlich zu äußern. Der Rücklauf füllt einen dicken Aktenordner. Mehr Aufmerksamkeit der Lehrer wird unter anderem gefordert, mehr Gespräche, mehr Fortbildungen für Lehrer, strengere Waffengesetze, aber auch eine besseren Schutz von Schulgebäuden, bis hin zur Videoüberwachung. Aber Lehrer und Schule können längst nicht alles richten. "In den Familien müssen die sozialen Kompetenzen einen größere Stellenwert bekommen", sagt Nicole Schmitz, Mutter eine Fünftklässlers. "Es muss mehr Stress von den Lehrern genommen werden."

Bei allem Verbesserungsbedarf: Julius Grimmig verschweigt nicht, dass längst nicht alles im Argen liegt: "Ich komme gut mit allen meinen Lehrern aus", erzählt der Schüler der 5b. "Außerdem geben sie uns nicht so viele Hausaufgaben auf."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort