Leverkusen Hitdorf: Todesfahrt nach Party

Leverkusen · Anfang Juni 2009 tötete ein Geisterfahrer auf der A 59 Mutter, Tochter und Großmutter einer Familie aus Düsseldorf. Gestern begann der Prozess gegen den 23-Jährigen. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu vier Jahre Gefängnis.

Ein paar gute Freunde, zelten, reichlich Alkohol — der Grillabend am Hitdorfer See begann wie tausende andere auch. Das Ende aber in der Nacht zum 7. Juni vorigen Jahres auf der A 59 erschütterte selbst hartgesottene Rettungssanitäter: Mutter (31), Tochter (1) und Großmutter (79) einer Familie aus Düsseldorf tot, der Vater (41) und die beiden anderen Kinder (8 und 9) schwer verletzt. Gestern musste sich der Geisterfahrer, der die drei Menschenleben auf dem Gewissen hat, wegen des Vorwurfs fahrlässiger Tötung vor dem Langenfelder Amtsgericht verantworten.

Das letzte Bild, das er im Gedächtnis habe, seien die Freunde auf der Picknick-Decke gewesen — "danach kann ich mich erst an blaues Licht und kaputte Autos und später das Krankenhaus erinnern", sagt der 23-jährige Hildener zu Verhandlungsbeginn. Er selbst zog sich bei dem Frontalzusammenstoß seines VW Golfs mit dem Ford-Focus-Kombi der Düsseldorfer Familie mehrere Knochenbrüche zu. Für die Stunden zwischen Grillwiese und OP in jener verhängnisvollen Samstagnacht macht der Kfz-Technikerlehrling für sich einen "Filmriss" im Vollrausch geltend.

Demnach erinnert sich der Angeklagte weder an den Streit mit einem seiner besten Freunde am Hitdorfer See noch daran, wie er auf die A 59 kam, und auch nicht an den Unfall, der dem tödlichen Zusammenstoß wenige Minuten später vorausging. In Höhe der Ausfahrt Richrath, Fahrtrichtung Düsseldorf, rammte der Hildener die Mittelleitplanke und kam mit seinem Golf in entgegengesetzter Fahrtrichtung zum Stehen.

Was in den Minuten danach geschah, schildern vor Gericht insgesamt sieben Zeugen. So wollte ein Autofahrer, der nicht weit hinter dem Wagen mit den zerstörten Scheinwerfern, aber angeschalteter Innenraumbeleuchtung hielt, nach eigenen Worten helfen. Aber der junge Mann am Steuer habe auf sein "Hallo-Hallo" bloß verständnislos reagiert und sei mit "quietschenden Reifen" davongebraust: "Ich hatte das Gefühl, er schaut durch mich hindurch". Möglicherweise habe er auch Angst gehabt.

Etwa sechs Kilometer fuhr der Hildener in die verkehrte Richtung — die Polizei war da bereits alarmiert. In Höhe Stadtgrenze Langenfeld/Leverkusen kollidierte der Golf, an dem wohl allenfalls ein Standlicht und ein Blinker aufleuchteten, gegen 3.35 Uhr mit dem Kombi der Düsseldorfer Familie, der einen Polo überholte und durch den Zusammenprall auf die Mittelleitplanke geschleudert wurde.

Neben den Augenzeugen von den Unfallstellen hört das Gericht die sechs Freunde und Bekannte an, die mit dem 23-Jährigen am Hitdorfer See feierten. Sie stützen seine Version vom "Filmriss". Stark betrunken sei er von, Jägermeister und Bier gewesen, habe an dem Abend mehrere "Ausraster" gehabt, ehe er plötzlich abgehauen sei. In den Aussagen der jeweils drei jungen Frauen und Männer stößt das Gericht aber auch auf Widersprüche, etwa in der Frage, wie gut sie und der Todesfahrer die Strecke über die A 59 zum Hitdorfer See und zurück nach Hilden kannten.

Für das Strafmaß könnte die von Bedeutung sein. Der medizinische Gutachter sieht aufgrund der Zeugenaussagen und der Blutprobe — zurückgerechnet bis 2,16 Promille — eine erheblich verminderte Steuerungs- sowie eine verminderte Schuldfähigkeit. Fortgesetzt wird der Prozess Montag, 17. Mai. Bei einer Verurteilung drohen bis zu vier Jahre Gefängnis.

(RP)
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