Heimatserie Stadt der Fischer, Flößer und Fabrikanten
Hitdorf · Das Hitdorfer Heimatmuseum passt in ein Trafohäuschen. Es erzählt die stolze Geschichte der einstigen Stadt am Rhein und ihrer Bewohner.
Mitunter sind es Kaiser, Könige und Feldherren, die die Weltgeschichte bewegen. Weithin sichtbare und bis heute erhaltene Bauwerke wie die Pyramiden oder die Chinesische Mauer künden von der Blüte einstiger Hochkulturen. Im Falle Hitdorfs ist es eine unsichtbare Kiesrippe, die den Aufstieg der Stadt begründete, und mit deren Verschwinden sich der Niedergang vollzog. Die Hitdorfer Kiesrippe im Rhein sorgte dafür, dass der Fluss an dieser Stelle nicht uneingeschränkt schiffbar war. Größere Schiffe mussten dort be- und entladen, Güter vorübergehend verwahrt werden. Auch verursachte sie Stauwasser, das den Fährverkehr begünstigte, ebenso wie den Fischreichtum. Das machte die Stadt zu einem Zentrum für Fischer und Händler – und bald auch für Produzenten der Tabak-, Brau- und Zündholzindustrie. Als 1886 das erste Dampfschiff den Rhein herauf fuhr, musste die Kiesrippe weichen. Sie wurde weggesprengt.
Eine Stadt? „Ja“, sagt Bernd Bilitzki, Hitdorf war früher mal eine Stadt und eine recht wohlhabende dazu. „Der Hitdorfer Hafen hatte damals eine ähnlich großen Umschlag wie Köln oder Düsseldorf“, erklärt der Vorsitzende des Hitdorfer Heimatvereins. 1356 wurde der Hitdorfer Hafen erstmals urkundlich erwähnt, „Hutdorp“ selbst bestand bereits seit 1153.
1857 verlieh der preußische König dem Dorf die Stadtrechte. Da hatte der Niedergang Hitdorfs bereits schleichend begonnen. 1960 wurde die Stadt nach Monheim eingemeindet, seit 1975 gehört sie als Stadtteil zu Leverkusen. Dazwischen liegt eine Zeit, die das Hitdorfer Heimatmuseum anschaulich und eindrucksvoll dokumentiert, in höchst ungewöhnlicher Umgebung: einem mit viel Herzblut renovierten alten Trafohäuschen.
„Es waren längst noch nicht alle Hitdorfer hier, und selbst die alteingesessenen erfahren hier viel Neues“, sagt Bilitzki. Auch kommen viele Gäste von außerhalb, die an zuvor verabredeten Stadtteilführungen des Vereins teilnehmen.
Ein Trafohäuschen als Museum? Die Idee hatten Hans Kürten und seine Mitstreiter Peter Eulenberg und Franz Odenthal. Kürten war damals CDU-Ratsherr und in Hitdorf ein weithin bekannter und anerkannter Mann. Das ist der 93-jährige Ehrenvorsitzende des Heimatvereins bis heute geblieben. 1998 wurde seine Idee Wirklichkeit. Das Heimatmuseum zog in das vom 1986 gegründeten Verein mit Unterstützung der ansässigen Industrie aufwendig renovierte Trafohäuschen der EVL ein. „Es war damals eine Ruine“, erinnert sich Bilitzki, der 1997 dazu gestoßen war. „Ich bin Hitdorfer mit Leib und Seele, und habe mich immer schon für Heimatgeschichte interessiert.“
Schon als Junge sammelte er Zeitungsartikel über seinen Heimatort am Rhein. Mittlerweile sind es 17 DIN-A-4-Ordner mit 16.000 Zeitungsartikeln, in Computerlisten dokumentiert und verschlagwortet. Seinen kleinen „Schatz“ hat Bilitzki kürzlich dem Heimatverein übergeben. Er gehört zum Inventar des Museums ebenso wie das Bildarchiv, die zahlreichen Schiffsmodelle des früheren Fährführers Alfons Fischer und die beiden Steinbeile aus der Jungsteinzeit. Die rund 5000 Jahre alten Hitdorfer Fundstücke hatte Bauer Johannes Gladbach aus der Voigtslach auf einem Acker gefunden und dem Museum vermacht. Sie zieren die Dauerausstellung ebenso wie alte Streichholzschachteln, Zigarrenkisten, Biergläser, die an das Erbe einer einst florierenden Holz- und Tabakindustrie sowie der großen Brauereien erinnern sollen. Holz und Bier, wie passt das zusammen? „Hitdorf ist reich geworden durch den Holzhandel“, sagt Bilitzki. „Die Flößer transportierten damals das Bier. Sie erkannten das Geschäft und begannen dann selbst zu brauen.“
Die Streichholzindustrie, die dem Ort Arbeit und Wohlstand schenkte, war aus den Familienbetrieben der 1840er Jahre entstanden. Doch das Experimentieren mit explosivem Phosphor am Wohnzimmertisch wurde bald zu gefährlich. Industrielle übernahmen das Geschäft, allen voran der schwedische Monopolist Ivar Kreuger, der sich 1929 die alleinige Lizenz für Deutschland sicherte. So kam es, dass „et Spönche“, das Streichholz, in Hitdorf nicht nur Zigarren entzündete, sondern auch über viele Jahre das Wohlergehen seiner Bewohner bestimmte.
1964/65 stellten die hiesigen Streichholzproduzenten Salm und Pfitzen die Produktion in Hitdorf ein. Das einst so traditionsreiche Geschäft mit den Zündhölzern war längst unrentabel geworden. Vier Jahre später endete das Monopol des Schweden.