Schulsozialarbeit in Leverkusen „Wir kriegen mit, was in Familien los ist“

Leverkusen · Katrin Schäfer und Heike Lackmann betreuen als Schulsozialarbeiterinnen Kinder und Jugendliche. Ein schöner, aber auch herausfordernder Beruf.

 Katrin Schäfer (links) und Heike Lackmann betreuen Schüler, manchmal auch mithilfe eines Gummihuhns.

Katrin Schäfer (links) und Heike Lackmann betreuen Schüler, manchmal auch mithilfe eines Gummihuhns.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Das Gummihuhn ist wichtig, es darf im Unterricht auf keinen Fall fehlen. Denn während ein normaler Ball die Schüler nur mäßig bis gar nicht motiviert, wollen alle das Gummihuhn haben. „Ich glaube, weil es quietscht“, vermutet Katrin Schäfer. Sie ist Schulsozialarbeiterin an der Förderschule An der Wupper. Kinder von der ersten bis zur zehnten Klasse besuchen die Schule, und sie stellen Katrin Schäfer regelmäßig vor Herausforderungen.

Von Herausforderungen kann auch Heike Lackmann berichten, ebenfalls Schulsozialarbeiterin. Sie betreut Kinder an der GGS in Quettingen. Die beiden gehören zu den 32 Schulsozialarbeitern, die in Leverkusen Kinder betreuen. Damit beeinflussen sie nicht nur entscheidend die Zukunft vieler Schüler, sondern können auch viel über die Zustände in so manchen Familien erzählen.

„Ein Tag verläuft eigentlich nie so, wie man es morgens noch geplant hatte“, sagt Heike Lackmann. Oft stehen Eltern oder Lehrer vor der Türe. „Bei den Eltern geht es oft um Leistungen, etwa das Teilhabegesetz oder in welchen Verein das Kind am besten gehen sollte.“ Lehrer kommen zu Lackmann, wenn Kinder verhaltensauffällig sind. Wenn sie sehr still und zurückhaltend sind oder umgekehrt sehr laut, vielleicht sogar aggressiv. „Dann überlegen wir gemeinsam, wie wir an das Kind herankommen, wie wir am besten helfen können“, sagt Lackmann.

So unterschiedlich wie die Schüler sind, so unterschiedlich sind auch die Probleme, die sie von zuhause mitbringen. „Manche sind traumatisiert, haben Gewalt erlebt oder Trennungen, Verluste oder auch Flucht,“ sagt Heike Lackmann. „Andere sind noch nicht bereit, in die Schule zu gehen“, fügt Katrin Schäfer hinzu. „Früher wären sie ein Jahr zurückgestellt worden, aber das wird heute nicht mehr gemacht.“

Ihre Aufgabe sehen Lackmann und Schäfer als Bindeglied zwischen Eltern, Lehrern und Jugendamt. „Bei uns an der Schule wird jedes Kind im Kollegium durchgesprochen“, sagt Lackmann. Wird Unterstützungsbedarf gesehen, versucht sie beispielsweise an die Erziehungsberatungsstelle zu verweisen. Für viele Eltern sei es schwierig, diese Angebote auch anzunehmen. „Gemeinsam mit den Lehrern müssen wir immer abwägen, wo kann die Schule helfen, wo muss das Jugendamt ran.“ Wenn es um Kindeswohlgefährdung geht, muss das Jugendamt eingreifen.

Dies bleibt glücklicherweise eher die Ausnahme. Die beiden haben ein ganz anderes massives Problem ausgemacht. „In vielen Familien wird überhaupt nicht mehr miteinander gesprochen, vor allem nicht über Gefühle“, sagt Katrin Schäfer. Das Resultat: Die Kinder kennen zum Teil nicht mehr die Begriffe für traurig, müde oder wütend sein. „Und sie können auch die entsprechende Mimik nicht mehr zuordnen“, sagt Schäfer. „Der Zusammenhang fehlt den Kindern.“

Das führt auch in der Schule oft zu Konflikten. „Wenn wir nach einem Streit aufdröseln, wie es dazu kam, merken die Kinder erst, dass der andere ihnen überhaupt nichts Böses wollte, sondern dass sie einfach nicht einschätzen konnten, dass er gerade keine Lust hat oder müde oder traurig ist.“

In solchen Fällen können sie relativ gut mit den Kindern arbeiten und Strategien entwickeln, um Streit zu vermeiden. In anderen Fällen sind ihnen oft die Hände gebunden. „Wir können versuchen, mit den Eltern ins Gespräch zu kommen und auf sie einzuwirken, aber die Eltern sind die Erziehungsberechtigten. So lange das Kindeswohl nicht gefährdet ist, kommen wir oft an unsere Grenzen.“

Das sind die frustrierenden Seiten des Berufs, gibt Heike Lackmann zu. „Das nehme ich dann auch mit nach Hause, weil es mich belastet.“ Doch die schönen Seiten wiegen den Frust wieder auf. Ihr schönstes Erlebnis? „Ein afrikanisches Mädchen ist sehr, sehr behütet aufgewachsen und es wollte immer an einem Ferienprogramm teilnehmen. Es hat sehr viele Gespräche mit dem Vater gebraucht, bis er das erlaubt hat. Aber die Freude bei dem Mädchen war hinterher umso größer.“

Katrin Schäfer geht es ähnlich. „Es gibt Geschichten, die gehen mir sehr nahe. Wenn es beispielsweise um sexuellen Missbrauch geht, dann nimmt mich das sehr mit. Aber das ist zum Glück eher selten.“ Eine ihrer Erfolgsgeschichten? „Ich habe über viele Jahre einen Jugendlichen betreut, bei dem die Eltern alle Gespräche und Förderangebote abgelehnt haben. Uns waren die Hände gebunden. Als er 18 Jahre alt war, kam er zu mir und dann haben wir los gelegt und endlich die Maßnahmen umgesetzt, die vorher nicht gingen. Er kommt heute noch zwischendurch vorbei und erzählt, wie es ihm geht. Das ist einfach schön zu sehen.“

Diese Erfahrungen sind wohl bei allen Schulsozialarbeitern gleich, sagt Lackmann. „Wir bekommen mit, was in den Familien los ist und was manche Kinder schon mit sechs oder sieben Jahren erlebt haben. Oft können wir nichts machen, aber wir können dafür sorgen, dass es den Kindern wenigstens in der Schule gut geht.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort