Leverkusen Gasexplosion schockt die Pipeline-Kritiker

Leverkusen · Durch das gestrige Gasleitungsunglück in Ludwigshafen fühlen sich die Leverkusener Pipeline-Kritiker "auf schreckliche Weise" bestätigt.

 Nur eine Straßenbreite entfernt vom neuen Bayer-Kindergarten verläuft am Kurtekotten eine Hochdruck-Ferngasleitung. Einen Grund, deshalb die Kita nicht zu bauen, sieht der Konzern nicht.

Nur eine Straßenbreite entfernt vom neuen Bayer-Kindergarten verläuft am Kurtekotten eine Hochdruck-Ferngasleitung. Einen Grund, deshalb die Kita nicht zu bauen, sieht der Konzern nicht.

Foto: Miserius (Archiv)

Die Gasexplosionsbilder aus Ludwigshafen-Oppau haben gestern den Leverkusener Detlev Kraneis wie wahrscheinlich jeden anderen zutiefst schockiert: Fotos und Filme von Augenzeugen zeigten das Szenario eines tödliches Unglücks, vor dem er seit Monaten grundsätzlich warne. Der Diplom-Ingenieur muss sich jetzt erst recht in seinem Kampf gegen die geplante Ferngas-Leitung nahe der Waldsiedlung bestätigt fühlen.

"Solche schlimmen Unglücke, wenn auch nicht immer mit Toten, passieren alle Nase lang. Sie werden nur selten so öffentlich wie jetzt", sagt der Leverkusener. Die Gaswirtschaft führe Listen von Schäden an Pipelines, die allerdings in Deutschland unter Verschluss gehalten würden.

Vor allem die Informationen von Kraneis über die geplante neue Pipeline durch Leichlingen und Leverkusen rüttelten die Leverkusener wach. Die Stadt klagte schließlich gegen die Pipelinetrasse, die sehr nahe an der Waldsiedlung und an der dortigen Grundschule verlegt werden sollte. Die Stadt wandte sich damit gegen die schon genehmigten Pläne. Unterstützt durch die Politik erreichte Oberbürgermeister Reinhard Buchhorn schließlich ein Zugeständnis der Pipeline-Gesellschaft "Open Grid Europe". Das Unternehmen sagte zu, die Pipeline zumindest im Bereich Waldsiedlung deutlich weiter weg von der Wohnsiedlung zu vergraben.

Die Bedingung: Es dürfe "keine unüberwindbaren Hindernisse geben" für die Neuplanung geben. Genau dieser Passus der Vereinbarung zwischen Stadt und Open Grid erzeugt weiter Zweifel bei Detlev Kraneis: Die Planänderung ist noch nicht durch", sagt er. Was wäre denn, wenn der Waldbesitzer sich weigere, Fläche für die Trasse abzugeben oder wenn es andere Probleme gebe?

"Ich bin nicht strikt gegen Gasleitungen", betont Kraneis. Das Leben habe Risiken, "aber in Sachen Gasleitungen und deren Sicherheit sind wir heute eben schlauer als früher". Als "absolute Dreistigkeit" bezeichnet Kraneis die oft wiederholten Darstellungen von Pipelinebetreibern, dass solche Fernleitungen "absolut sicher" seien. "Das sind schon verwegene Aussagen." Wie das Unglück gestern zeige, passierten solche Explosionen sogar dann, wenn unter Vorsichtsmaßnahmen und von Fachleuten im Bereich der Pipeline gearbeitet werde.

Die gestrigen Bauarbeiten wurden im Auftrag der Gasleitungsfirma "Gascade" durchgeführt. Dies ist ein Gemeinschaftsunternehmen von BASF und Gazprom. Die explodierte Leitung (Durchmesser 40 Zentimeter) zählt zu der 57 Kilometerlangen Pipeline von Ludwigshafen nach Karlsruhe. Gascade betreibt in Deutschland ein 2400 Kilometer langes Ferngasnetz.

Auch der CDU-Politiker Bernhard Marewski (wohnt in der Waldsiedlung) reagierte gestern entsetzt. Das Unglück sei ein "trauriges Beispiel", dass die Leverkusener Kritiker der neuen Open-Grid-Pipeline kein unwahrscheinliches Horrorszenario beschrieben hätten.

Kraneis bemängelt derzeit auch das geplanten Projekt der Zentral-Feuerwache auf dem Bayer-Parkplatzareal am Kurtekotten. Hinter dem Neubaustandort verlaufe auch eine Ferngasleitung. Eine Pipeline, die rund 50 Jahre alt sei und eigentlich bald ihre Lebensdauer erreicht habe.

Ähnliches gilt übrigens für Ferngasleitungen in Hitdorf und Quettingen. Hier liegen die Hochdruck-Leitungen teils nur ein paar Meter von den Wohnblocks Feldstraße entfernt. Für die Zufahrten zur Bahnstadt Opladen sind dort bald weitere Bautätigkeiten nötig, auch nahe der Pipeline, erinnert Ratsherr Marewski warnend.

(RP)
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