Leverkusen Frühlingserwachen im Oktober

Leverkusen · Alles draußen, oder was? Beim sehr sehr späten Spätsommertag gestern war die Fußgängerzone in Opladen proppenvoll, jeder Stuhl in den Cafés besetzt, die Stimmung prima. Nur einer hätte sich mindestens zehn Grad weniger gewünscht: der Strumpfwarenhändler auf dem Markt.

 Robert Felten und Kurt Duda (r.) beim Frühschoppen: "Kölsch bei 18 Grad? Lecker!"

Robert Felten und Kurt Duda (r.) beim Frühschoppen: "Kölsch bei 18 Grad? Lecker!"

Foto: uwe Miserius

Es ist Herbst, sagt der Kalender. Es ist Frühling, sagt das Thermometer in der Fußgängerzone. Stolze 18 Grad mit deutlicher Tendenz nach oben. "Altweibersommer", sagt Robert Felten (85), "Endlich goldener Oktober", sagt Kurt Duda (93). Die beiden Herren lehnen am Stehtisch vor der "Stadtschänke", plaudern, sehen dem Leben in der Fußgängerzone zu, das an diesem Donnerstag pulsiert, als sei es Hochsommer.

"Wir sind donnerstags immer hier und immer draußen vor der Kneipe. Nicht drinnen. Da sieht man ja nichts", sagt Duda. Und: "Das Kölsch bei 18 Grad draußen schmeckt einfach besser, als wenn's nur fünf Grad hätte." Es folgt ein Probeschluck. "Stimmt", sagt Felten lächelnd.

Ihm fällt ein, dass warme Tage im Oktober keine moderne Erscheinung sind. "Als meine Frau vor 82 Jahren Mitte Oktober auf die Welt kam, da war ihr Vater am Tag der Geburt im Strandbad in Lennep schwimmen, so heiß war es da."

Eis? Viel zu kalt!

Auch, wenn die Leverkusener Freibäder zum oktöberlichen Frühlingserwachen längst geschlossen sind, ein Picknick draußen können sich auch Laureen Overhoff und Jule Schäfer (beide 18) fürs Wochenende vorstellen, an dem die Temperaturen über 20 Grad steigen sollen. "Für ein Eis ist es mir heute noch nicht warm genug", gesteht Jule. "Aber es ist schön, dass das Wetter so richtig gute Laune vor dem Winter macht und nicht alles in Regen und Wolken versinkt."

Beides wäre Andreas Fröse vielleicht lieber gewesen, als er am Morgen aus dem Haus trat. "Ja, ich geb's zu, ich habe gedacht: So warm soll's werden? Blöd", sagt Fröse mit Blick auf seinen Verkaufstisch. Der Mann ist Strumpfwarenhändler und hat seinen Stand auf dem Opladener Markt von normalerweise zwölf auf acht Meter verkürzt — wegen des Wetters. "In Opladen habe ich Glück, hier gibt es viel Stammkundschaft, die dicke Socken auf Vorrat kauft, denn kalt wird es früher oder später ja doch."

Allerdings sei der große Ansturm auf die dicksten Strümpfe mit Lammfellwolle in seinem Sortiment an diesem Tag nicht groß. Sorgen macht Fröse, dass das Wetter schön bleiben soll. "Ich muss nach Essen-Kettwig, da sieht's von der Kundenstruktur anders aus, außerdem sind Herbstferien. Das wird für mich sehr, sehr ruhig dort."

Vielleicht sollte Fröse die Damen und Herren des Markt-Stammtischs mitnehmen. Als Stimmungsmacher. Denn still geht's bei Carola, Gisela, Bodo, Werner, Barbara, Gerlinde, Uschi und Ex-"LaBaguette"-Betreiber Manni Gruse nicht eben zu. "Wir sitzen immer draußen. Auch noch bei fünf Grad", betont Barbara. "So aber ist's viel schöner." Glatt könne man singen "Heut' ist so ein schöner Tag", fällt Gerlinde ein. Die dem Frühling im Herbst noch etwas Gutes abgewinnt. Jetzt könne man den Schokoladenkonsum ruhig steigern. Denn Hüftgold "sieht im Winter keiner unterm dicken Pulli".

Dann spricht ja nichts gegen ein Eis. Ob Robert Felten und Kurt Duda dafür ihr Kölsch eintauschen?

(RP/rl)
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