Leverkusen Frauenquote: "Politik der leeren Stühle"

Leverkusen · Die Regierung will 30 Prozent Frauen in Aufsichtsräten. Das löst geteilte Meinungen aus. Das Institut der deutschen Wirtschaft mahnt: "Das Geschlecht ist kein Qualifikationsmerkmal". Bei Bayer sind 20 Prozent in dem Gremium weiblich.

Frauenquote: Andere Länder sind Deutschland weit voraus
Infos

Frauenquote: Andere Länder sind Deutschland weit voraus

Infos
Foto: dpa

30 Prozent Frauenquote in den Aufsichtsräten großer Unternehmen soll Pflicht werden. Das will die Bundesregierung jetzt in einem Gesetz verankern. Falls die Quote bei Neubesetzungen nicht erreicht wird, sollen Plätze leer bleiben. Prof. Michael Hoffmann-Becking (Sozietät Hengeler Müller, Düsseldorf), Experte für Gesellschafts-, Aktien- und Konzernrecht, erläutert: "Wenn bei einer Neuwahl ein Platz mit einer Frau besetzt werden müsste, es wird aber ein Mann gewählt, ist die Wahl nichtig. Der Platz bleibt in der Tat leer. Das ist die Politik der leeren Stühle. Rechtstechnisch geht das." Die Beschlussfähigkeit sei größtenteils nicht gefährdet: "Bei einem 16er-Aufsichtsrat reichen zum Beispiel neun Mitglieder aus, um als Gremium beschlussfähig zu sein", ergänzt er.

"Wenn das Gesetz kommt, "müssen wir uns danach richten", sagt ein Bayer-Sprecher auf RP-Anfrage. "Aber ein Freund von vorgeschriebenen Quoten sind wir nicht." Denn: Bayer wolle nach Qualifikation Mitarbeiter einstellen. "Wir brauchen die richtige Person an der richtigen Stelle, und das bemisst sich nicht am Geschlecht." In Bayers 20-köpfigem Aufsichtsrat sitzen derzeit vier Frauen, macht eine Quote von 20 Prozent. Die hatte Bayer sich für 2017 zum Ziel gesetzt, aber schon jetzt erfüllt. Bis 2015 sollen 30 Prozent Frauen Führungspositionen innerhalb der fünf oberen Vertragsstufen innehaben. "Wir sind derzeit bei 26 Prozent", sagt der Sprecher. Ein Problem, das der Konzern sieht: Die Auswahl an Frauen, die die Fachexpertise für die Aufsichtsratsposition in einem Unternehmen wie Bayer mitbringen, sei nicht groß.

Frauenquote in Chefetagen - So weit hinkt Deutschland hinterher
Infos

Frauenquote in Chefetagen - So weit hinkt Deutschland hinterher

Infos
Foto: dpa

Auch Dr. Oliver Stettes, Arbeitsmarktexperte vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln, sieht dieses Problem: "Trotz aller Bemühungen ist es immer noch so, dass weniger Frauen einen technischen Beruf wählen als Männer." Hinzu komme, dass Frauen wegen Erwerbsunterbrechungen oder Teilzeitarbeit oft weniger Chancen hätten, in eine Führungsposition hin-einzuwachsen. Bei der Besetzung solcher Stellen achteten Chefs aber genau darauf: Fachexpertise und Erwerbslaufbahn. "Beides, also Berufswahl und Laufbahn, werden in dem neuen Gesetz nicht berücksichtigt", sagt Stettes. "Aus unserer Sicht ist das Geschlecht allein kein Qualifikationsmerkmal für eine Führungsposition." Falls Plätze im Aufsichtsrat leer blieben, "gäbe es wohl ein Problem, eine gute Unternehmenskontrolle gegenüber dem Vorstand auszuüben".

Arbeitsrechtlerin Stefanie Prehm, Partnerin im Kölner Büro der Kanzlei Luther, sieht die Frauenquote als sinnvoll an, "damit etwas passiert. Sie ist aber nicht weit genug gedacht." Zum einen hätten Unternehmen unter Umständen Probleme, Frauen zu finden, zum anderen müsse man genauer hinterfragen, was passiert, wenn eben nicht genug gefunden werden. Je nach Zahlenverhältnis in einem Aufsichtsrat könnte die Prozentzahl übrigens über die 30 hinausgehen: "Sollte bei der Quote eine ungenaue Zahl wie 3,6 Frauen herauskommen, wird nach oben aufgerundet."

Die Gewerkschaft IG BCE ist schneller als die Regierung: "Bei uns gibt es schon das Projekt ,30-30-30'", erzählt Bezirksleiter Rolf Erler. 30 Prozent der IGBCE-Führungspositionen sollen mit Frauen besetzt werden, 30 Prozent der Arbeitnehmerseite in Aufsichtsräten Frauen sein, die Zahl der weiblichen IGBCE-Mitglieder soll die 30-Prozent-Marke erreichen.

Erler hält die Pflichtquote für gut: "Von alleine scheint ja nichts zu passieren." Wie Prof. Heide Pfarr vom Deutschen Juristinnenbund glaubt auch Erler, dass es möglich ist, die Posten im Aufsichtsrat mit 30 Prozent Frauen zu besetzen. "Es wird nicht passieren, dass ein Platz frei bleibt. Auch die Arbeitgeberseite wird plötzlich kluge Frauen finden", sagt Pfarr. Und Erler prophezeit: "Die Demografie lässt irgendwann keine andere Möglichkeit mehr zu. Dann ist die Pflichtquote hinfällig."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort