Explosionsunglück im Chempark-Entsorgungszentrum Currenta testet Einsatzkräfte auf chemische Substanzen

Leverkusen · 460 Menschen gaben für das Biomonitoring Blut- und Urinproben ab. Bei einigen wurden erhöhte Werte festgestellt. Arbeitsmediziner ordnet Werte ein.

 Die Explosion ereignete sich am 27. Juli in Bürrig.

Die Explosion ereignete sich am 27. Juli in Bürrig.

Foto: Uwe Miserius

Seit dem Schreckenstag, dem 27. Juli, als ein Zittern durch die Stadt ging und eine gewaltige Rußwolke Richtung Osten zog, sind 839 Schäden an Gebäuden gemeldet, 225 an Autos, 76 weitere, die Chemparkbetreiber Currenta unter „sonstige“ zusammenfasst. Und was ist mit den Menschen, die nach der Explosion im Entsorgungszentrum in Bürrig im Einsatz waren, um zu löschen, zu bergen, aufzuräumen? Darauf gibt das Unternehmen jetzt Antwort: Currenta initiierte noch am Tag der Explosion „für die internen und externen Einsatz- und Bergungskräfte ein umfassendes Biomonitoring“, teilt der Chemparkbetreiber mit.

„Bei den Analysen vom 27. bis 30. Juli wurde ein breites Spektrum potenzieller chemischer Substanzen und deren Stoffwechselprodukte im Blut und Urin der Einsatzkräfte gemessen, die während der Lösch- und Bergungsarbeiten auf dem Gelände der Sonderabfallverbrennungsanlage tätig waren.“ Untersucht wurde etwa auf für Brandeinsätze typische Stoffe wie Aceton, Benzol und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs) und „die zum Ereigniszeitpunkt im Tanklager befindlichen lösemittelhaltigen Produktionsrückstände“.

Dafür gaben mehr als 460 interne und externe Einsatzkräfte Blut und Urinproben ab. „Dabei hat das Institut für Biomonitoring der Currenta rund 23.000 Messungen durchgeführt“, nennt das Unternehmen Zahlen. Grundlage der Proben-Beurteilung: die Technischen Richtlinien für Gefahrstoffe (TRGS 903 und 910). „Die Grenzwerte legen fest, wie hoch die durchschnittliche Belastung maximal sein darf, wenn ein Mitarbeiter 40 Jahre lang fünf Tage pro Woche und acht Stunden täglich dem betreffenden Stoff ausgesetzt ist.“

Ergebnis: Für die Mehrheit der Stoffe lagen die Werte laut Currenta unterhalb der Bestimmungsgrenze. Aber: „55 Personen wiesen Konzentrationen auf, die nahe oder oberhalb der zulässigen arbeitsmedizinischen Grenzwerte lagen. In vier Proben wurden Konzentrationen des Lösungsmittels Aceton nachgewiesen. 13 Proben enthielten Kresolwerte im Warnbereich oder darüber.“ Warnbereich, erläutert Currenta, bedeute: „Der kritische Grenzwert wurde zu mindestens 75 Prozent erreicht.“

Die Lösungsmittel 1-Propanol und 2-Propanol wurden in 13 Proben gefunden. Zwölf enthielten Konzentrationen von PAKs im Warnbereich oder darüber. Bei 18 Proben wurden zudem Benzol-Konzentrationen festgestellt. Currenta: „Benzol ist eine Verbindung, die beispielsweise in Kraftstoffen enthalten ist. Bei dauerhafter oder chronischer Exposition ist Benzol krebserregend.“ Das Unternehmen lässt Hans Drexler, Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, die Befunde bewerten.

Er sagt: „Im Vergleich zu am Arbeitsplatz üblicherweise vorliegenden Belastungen sind die gefunden Werte natürlich hoch. Da es sich aber um ein einmaliges Ereignis gehandelt hat, sind die Befunde anders zu bewerten. Die vom Ausschuss für Gefahrstoffe erarbeiteten Grenzwerte basieren auf einer dauerhaften Exposition über das gesamte Arbeitsleben.“

Aber: „Im Vergleich dazu ist die festgestellte Belastung sehr gering. Beispielsweise sind wir alle der natürlichen radioaktiven Strahlung der Sonne ausgesetzt, die potenziell gesundheitsgefährdend sein kann. Und wenn Sie eine einzige Röntgenuntersuchung haben, dann führt dies zu einer zusätzlichen Strahlenbelastung. Diese ist aber so gering, dass dieses Risiko nicht erfassbar ist. Und in dieser Größenordnung würde ich auch die zusätzliche Benzolbelastung der betroffenen Menschen einordnen.“

Alle Einsatzkräfte, seien über ihre Ergebnisse informiert worden. Wer erhöhte Werte habe, dem seien medizinische Beratung und Folgeuntersuchungen angeboten worden.

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