Leverkusen Die SPD-Granden verlassen den Stadtrat

Leverkusen · Zusammen bringen sie fast 100 Jahre politische Erfahrung und Tätigkeit mit: Jetzt verlassen Ernst Küchler, Dr. Walter Mende und Heinz-Gerd Bast (alle SPD) den Stadtrat - nicht alle mit den gleichen Gefühlen.

Wehmut? Dieses Gefühl will sich bei Ernst Küchler partout nicht einstellen, wenn er daran denkt, dass die Sitzung des Leverkusener Stadtrats am Montag, 19. Mai, seine unwiderruflich Letzte war. "Warum sollte ich wehmütig sein?", fragt der SPD-Politiker und schiebt die Antwort sofort hinterher: "Das Niveau der Debatten im Rat ist in den vergangenen Jahren derart unterirdisch geworden - das werde ich garantiert nicht vermissen."

Ebenso wenig wie die Tendenz vieler neuer Ratsmitglieder, "schon am Wahlabend ihre Versprechen zu brechen und sich irgendwelche Partner zu suchen, die ihnen Fraktionsgelder oder sonstige Vorteile bringen - ganz gleich, wofür sie denn ursprünglich einmal angetreten sind".

Küchlers Abrechnung ist schonungslos, aber keineswegs verbittert. Warum auch? Der 70-Jährige kann immerhin auf eine erfüllte Karriere zurückblicken, die nicht nur Politik, sondern auch politische Bildung umfasst.

Von 1973 bis 1985 war er Leiter der Volkshochschule Leverkusen. 1985 wechselte er nach Köln, wo er Direktor der dortigen VHS wurde. Nach deren Umwandlung in ein Amt für Weiterbildung wurde er 1991 dessen Leiter, bis er 1998 in den Bundestag gewählt wurde. Am 15. Oktober 2004 schied er dort freiwillig aus, um das Amt des Oberbürgermeisters von Leverkusen anzutreten. Das hatte er mit nur wenigen Hundert Stimmen Vorsprung Amtsinhaber Paul Hebbel (CDU) in der Stichwahl abgenommen.

In der Rückschau sagt Küchler heute selbstkritisch: "Ich habe in der Freude über den Sieg damals nicht genug an den Verlierer gedacht und was das knappe Ergebnis wohl mit ihm macht."

Fünf Jahre später schlug das Schicksal zurück und bescherte Ernst Küchler eine ebenso knappe Niederlage gegen seinen CDU-Herausforderer Reinhard Buchhorn - und das war umso bitterer, weil die Stichwahl inzwischen abgeschafft war, in der sich der SPD-Mann berechtigte Hoffnungen hätte machen können.

Dennoch denkt Küchler gerne an seine Jahre im Rathaus zurück: Vor allem an den Start der Projekte Neue Bahnstadt und Rathaus-Galerie, die beide in seine Amtszeit fielen und auf die er besonders stolz ist. Ansonsten prägten viele Begegnungen mit charismatischen Politikern Küchlers Leben - allen voran mit dem damaligen Oberbürgermeister Wilhelm Dopatka, dessen persönlicher Referent er von 1970 bis 1973 war.

Auch Heinz-Gerd Bast, der zweite SPD-Grande, hat Dopatka nach eigener Aussage viel zu verdanken. "Er hat junge Leute gezielt gefördert und mich schon früh aufgefordert, Unterbezirksvorsitzender bei der SPD zu werden", sagt Bast. Es folgte eine mehr als 40 Jahre andauernde kommunalpolitische Karriere, in der Bast sowohl das Amt des Bürgermeisters ausübte, als auch fast zwei Jahrzehnte lang Bezirksvorsteher in Opladen war.

Im Gegensatz zu Küchler, der nicht an politische Freundschaften glaubt, lebte Bast sie sogar parteiübergreifend. Mit dem inzwischen verstorbenen CDU-Fraktionsgeschäftsführer Hans-Gerd Lelickens etwa setzte er viele gemeinsame Dinge auf die kommunalpolitische Schiene - und zwar immer rund um die Heimspiele von Bayer 04. "Wir hatten beide eine VIP-Karte, saßen nebeneinander - und haben in der Halbzeit oder nach dem Spiel eine ganze Menge politisch abgesprochen", erzählt Bast: "Das war ein Super-Verhältnis." Aber auch an seine Rede zum Tag der Deutschen Einheit im voll besetzten Forum erinnert sich Bast, der seine Ehefrau in den 70er-Jahren im Wahlkampf kennen lernte, bis heute gerne. Seiner Fraktion will der 66-Jährige auch weiter als Ratgeber zur Seite stehen.

Da hat Dr. Walter Mende, der langjährige SPD-Fraktionschef, der ebenfalls den Rat verlässt, andere Pläne. Der Vollblut-Politiker, der 28 Jahre als Verwaltungsspitzenkraft (von Dezernent bis Oberbürgermeister) und später als Ratsvertreter in Leverkusen aktiv war, freut sich nach eigenen Angaben nun darauf, wieder verstärkt als Anwalt zu arbeiten, "und vielleicht das ein oder andere Mandat gegen die Stadt zu übernehmen". Denn den Spaß an verbaler Auseinandersetzung hat Mende (69) bis heute nicht verloren - allerdings auf einem ganz anderen Niveau, als es sich im vergangenen Stadtrat dargestellt hat. Das müssen sich Küchler, Bast und er nun nicht mehr antun.

(RP)
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