Postskriptum Die schnöde Kunst des Vertagens

Leverkusen · Im Wahlkampf protzen Politiker mit angeblicher Entscheidungsfreude. In manchem Ratsausschuss passiert das Gegenteil - es wird vertagt.

Postskriptum: Die schnöde Kunst des Vertagens
Foto: Moll Jürgen

Der Bürger bahnt sich täglich seinen Weg durch einen Wald von Wahlplakaten. Darauf kündigen Kandidaten und Parteien kurz und bündig an, wofür sie stehen und was sie alles tun wollen. Bei Wahlveranstaltungen fallen viele und große Worte. Es hagelt Weltverbesserungsversprechen: mehr Sicherheit, mehr Gerechtigkeit, weniger Steuern. Währenddessen zeigen sich in manchem Leverkusener Ratsausschuss Lähmungserscheinungen. So etwa kürzlich im Bau- und Planungsausschuss: Psychosomatische Klinik in Alkenrath? Vertagt. Stadtvillen Hitdorfer Kirchweg? Vertagt. Bestand der Hochlichtmasten? Vertagt. Ach ja, die Hochmasten. Offenbar will sich keiner von ihnen trennen, jedenfalls nicht so ganz, denn drei bis vier sollen ja bleiben, obwohl doch nicht wenige sie als überflüssiges Relikt vergangener Zeiten sehen. Die Kunst des Vertagens kann eine politische Taktik sein, so wie einst bei Helmut Kohl. Damals nannte man es noch "aussitzen". Eine gelehrige Schülerin des verstorbenen Altkanzlers aus der Uckermark soll sie bis heute erfolgreich anwenden. Sie selbst würde es wohl als "ruhiges Regieren" bezeichnen und dabei die Finger zur Raute formen.

Die Kunst des Nichtentscheidens kann also auch eine politische Tugend sein. Denn wer nicht entscheidet, kann auch nicht zur Verantwortung gezogen werden. Das funktioniert vor allem bei Entscheidungen, die zwar nötig sind, aber dem Bürger weh tun. Sozialeinschnitte, Rente, Krankenkassenbeiträge zum Beispiel.

Doch es klappt eben immer nur auf Zeit. Irgendwann holen einen die Probleme doch wieder ein - und es wird noch schmerzlicher. Also. Ratsknappen! Auf, auf! Der Bürger will Taten sehen. Der Lotussitz, er wird auf Dauer unbequem.

(bu)
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