Leverkusen Die schleichende Papierkorb-Inflation

Leverkusen · Bei aller Spardiskussion zu den städtischen Finanzen gibt es in Leverkusen ein Tabu-Thema: die Leerung und Instandhaltung der 2800 städtischen Papierkörbe. Fast eine halbe Million Euro kostet dieser Bereich pro Jahr.

 An der Schönen Aussicht sind Bank und Mülleimer – im Bild einer der zwölf Eimer auf 60 Metern – von Gras fast zugewachsen.

An der Schönen Aussicht sind Bank und Mülleimer – im Bild einer der zwölf Eimer auf 60 Metern – von Gras fast zugewachsen.

Foto: US

Die Kommunalpolitiker, die sich gerne mal um 250 Euro Zuschuss für einen Verein fetzen, verlieren zu dieser Summe öffentlich kein Wort. Warum auch: Die genau 450 000 Euro Jahreskosten werden versteckt in den Müllgebühren von den Bürger direkt kassiert. Da merkt es kaum jemand. Ein genereller Kostenreduzierungsdruck durch Kritik von Bürgern entsteht so nicht, zumal die meisten die Zusammenhänge nicht kennen.

Zwei Pläne, diesen Papierkorb-Bereich aus der staatlichen Betreuung der städtischen Technischen Betriebe (TBL) an die Müllfirma Avea oder an ein Privatunternehmen zu vergeben, scheiterten. Der TBL-Personalrat müsste einer Privatisierung zustimmen. So verlangt es das Personalvertretungsgesetz, das die rot-grüne Landesregierung geändert hat. Folge: "Der Personalrat der TBL lehnt Privatisierungen in letzter Zeit regelmäßig ab", sagt TBL-Geschäftsführer Reinhard Gerlich auf Anfrage unserer Zeitung.

"Wir können die Mitarbeiter aus dem Papierkorb-Bereich ja auch nicht kündigen", lautet das erste Argument bei Stadt und Politik, wenn nach Änderungen gefragt wird. TBL-Chef Gerlich hat nachrechnen lassen: Würden die TBL-Papierkorb-Leerungsspezialisten beispielsweise in die Straßenreinigung versetzt, so müsste die Straßenreinigungsgebühr erhöht werden: um 36 Cent pro laufenden Meter Straße von heute 2,32 Euro auf 2,69 Euro. Mit dieser Argumentationslinie bleiben die Papierkörbe bei der Stadt auf ewig ein abgesperrter Bereich mit dem Schild: "Betreten verboten, Änderungen unmöglich" Eine Stadtsprecherin räumt ein, dass die Papierkorb-Leerung bei der Überarbeitung des Straßenreinigungskonzeptes noch diskutiert wird. Eine abschließende Entscheidung stehe aus.

Dennoch sagt Gerlich, dass die Kapazität in der TBL-Papierkorb-Abteilung das Limit erreicht hat: Die Zahl der Papierkörbe vertrage keine Ausweitung, sonst müssten weitere Papierkorb-Betreuer eingestellt werden. Immerhin wird jeder der 2800 Abfallbehälter mindestens jede Woche geleert, in den Fußgängerzonen geschieht dies täglich, an Samstagen auch zweimal, sagt der TBL-Leiter.

Die Papierkörbe müssen übrigens auf Anordnung von Oberbürgermeister Reinhard Buchhorn in völliger Nacktheit auf Müll warten. Werbung oder die bisherigen kleinen Ferkel-Zeichnungen auf den Behältern gefielen dem Stadtchef nicht.

Die schleichende Inflation der Papierkörbe hält in Leverkusen seit Jahren an. Allein auf dem kurzen Stück der Bahnhofstraße der Opladener Fußgängerzone stehen zwölf Papierkörbe, teils nur wenige Schritte von einander entfernt. Auch rings um das Bürgerhaus "Schöne Aussicht" wurden auf einer 60-Meter-Strecke ein Dutzend Papierkörbe montiert. Müll, speziell wenn er fein verteilt oder massenhaft in öffentlichen Bereichen und Parks herumliegt, ist eben immer ein so genanntes Aufregerthema. "Da muss ein Papierkorb hin", ruft der sorgenvolle Kommunalpolitiker, "die Stadt muss mehr reinigen", ergänzt der Anwohner.

So entstand der Papierkorb-Standort im Wiehbachtal/Lehner Mühle. Eine gut gemeinte Aktion, die die Politiker als "Investition" beschließen. Kostet nur 250 Euro das Stück. Die Folgekosten (etwa 160 Euro pro Jahr) werden nicht aufgezeigt. TBL-Fachleute hatten keine Notwendigkeit für den Behälter gesehen.

Der Behälter kann allerdings auch schnell wieder wegkommen: Stimmt das Müllaufkommen nicht, bleibt der Behälter länger ungenutzt oder landet oft Hausmüll drin, lässt die TBL ihn entfernen, bestätigt Gerlich in einer schriftlichen Stellungnahme.

(RP)
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