Leverkusen Die Roboter-Autobahn unter dem Chempark

Leverkusen · Zwischen Logistik-Zentrum und Produktionsstätten von Bayer Health Care verläuft im Chempark eine unterirdische Transport-Autobahn. Befahren wird sie von fahrerlosen Fahrzeugen. Ein Kellerbesuch.

 Regale, Regale, Regale soweit das Auge reicht im Hochregallager von Bayer Health Care im Leverkusener Chempark.

Regale, Regale, Regale soweit das Auge reicht im Hochregallager von Bayer Health Care im Leverkusener Chempark.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Auch unter Tage herrscht Rechtsverkehr im Chempark. Daran halten sich die 25 knallgelben Fahrzeuge, die die beige-graue Fahrbahn nutzen, ganz genau. Und daran müssen sich auch die Gabelstaplerfahrer halten, wenn sie sich einfädeln. Sonst läuft's nicht. Und unten im Keller des Supply-Centers von Bayer HealthCare muss es immer laufen - rund um die Uhr an fünf bis sieben Tagen in der Woche.

Für die leisen Mini-Transporter, für die es weder Lenkrad noch Fahrer braucht, hat Elmar Reek, Betriebsleiter Logistik-Zentrum von Health Care, eine nüchterne Abkürzung: "Das sind unsere FTFs, fahrerlose Transportfahrzeuge." In der Anlage in Bitterfeld haben sie Namen, berichtet er schmunzelnd, auf dem Flittarder Werksgelände des Chemparks Leverkusen nicht. Hier haben sie Nummern und surren seit 1995 für Warentransporte zwischen dem Hochregallager im Logistikzentrum und den HealthCare-Bereichen Feststoffe und Parenteralia (sterile Wirkstoff-Zubereitungen, die zur Injektion, Infusion oder Implantation bestimmt sind) hin und her. Teils auf einer Tunnelstrecke von 500 Metern.

Ihre Fahrbefehle erhalten die FTFs von einem zentralen Computer. Um ihren Standort zu errechnen, brauchen die Fahrroboter Reflektoren an den Wänden der unterirdischen Autobahn. "Es müssen drei Stück sein. Dann kann die Position - ähnlich wie beim GPS im Auto - errechnet werden", erläutert Reek.

Menschen sieht man auf der "Rennstrecke" kaum. Hier und da einen Gabelstaplerfahrer, falls die Pakete Übergrößen haben und nicht auf die Rollen der Roboter-Ablageflächen passen. Während die 25 FTFs auf der unterirdischen Fahrbahn ihren Verkehr selbst regeln - spüren ihre Sensoren ein Hindernis auf, wird gestoppt und drumherumgefahren -, gibt's für Gabelstapler-Einsätze ein Ampelsystem.

 Rechtsverkehr: Die 25 namen- und fahrerlosen Transporter bewältigen auf der Kellerautobahn unter anderem einen 500 Meter langen Tunnel.

Rechtsverkehr: Die 25 namen- und fahrerlosen Transporter bewältigen auf der Kellerautobahn unter anderem einen 500 Meter langen Tunnel.

Foto: Uwe Miserius

Am Rande des Bürgersteigs der Kellerautobahn steht ein Tretroller mit Einkaufskörbchen, in dem eine Steuerbirne liegt. "Falls es mal eine Störung gibt, fährt das Technik-Personal mit dem Roller zum Roboter", erläutert Elmar Reek. Ansonsten läuft alles automatisch, auch das "Tanken". Reek zieht den Vergleich mit dem Modellbau heran: "Wie dabei holen sich die FTFs über Kupferplatten im Boden an den Waren-Übergabestellen Strom - während des Ladevorgangs und darüber hinaus, bis die Batterie voll ist oder ein anderer Roboter die Station anfährt."

Verbunden ist die Keller-Autobahn mit dem imposanten Hochregallager. Das macht mit einer Höhe von 30 Metern und Platz für bis zu 27 500 Paletten auf 20 bis 23 Lagerebenen seinem Namen alle Ehre. Rund 1700 Lagerbewegungen gibt es pro Tag. Auch hier arbeitet kein Mensch mehr, sondern das RBG, das Regalbediengerät. "Wir haben die so genannte Chaotische Lagerung, also eine per Zufall. Der Lagerverwaltungsrechner weiß, an welchem Platz was steht", berichtet Reek.

Kartons, Flüstertrommeln, Fässer und weitere Dinge sind von der Besucherplattform auf den Regalebenen zu erkennen, die in sechs Gassen rechts und links gen Himmel emporsteigen. Ganz unten fahren die FTFs an die Ladeboxen heran. Wann was gelagert oder zwischengelagert werden muss, ist ein komplexes Thema. Der Betriebsleiter sagt: "Wir haben hier bis zu 2000 interne Transporte pro Tag, den größten Teil erledigen die FTFs."

Schlafen diese nimmersatten Roboter denn nie? Reek lächelt. "Doch", sagt er und erzählt diese Anekdote: "Mitte der 90er Jahre gab es zum Jahreswechsel eine Produktionspause. Die FTFs haben zwei Wochen geruht. Als wir sie dann wieder angemacht haben, war die Betriebstemperatur nicht erreicht, die Roboter waren quasi verschlafen. Daraus haben wir gelernt. Auch Roboter müssen geweckt werden. Und zwar immer einen Tag bevor sie wieder arbeiten sollen."

(RP)
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