Opladen Die Masse formiert sich

Opladen · Warum hat sich keiner gewehrt? Warum haben Millionen Deutsche die Nazi-Herrschaft gebilligt und aktiv mitgemacht? Warum führten sie Befehle aus, entgegen der eigenen Überzeugung? Diese Fragen bleiben auch nach 70 Jahren, nicht nur in der Klasse einer amerikanischen High School, wo sich das Experiment tatsächlich ereignete, das Morton Rhue als Grundlage für sein 1981 erschienenes Buch "Die Welle" wählte.

Schüler des Landrat-Lucas-Gymnasiums haben den Roman zunächst gelesen und daraus anschließend selbst die Textvorlage für ein Theaterstück gemacht. Fast zwei Jahre hat es gedauert, bis das Ergebnis als Aufführung in der Aula zu sehen war. Gestern feierten die Deutsch-Kunst-Kurse der Stufe acht Premiere, heute folgt um 19.30 Uhr eine zweite Aufführung.

Auch wenn das reale Experiment bald 30 Jahre zurück liegt, ist die Wirkung kein bisschen verblasst. Zumal die Schüler unter Anleitung ihres Deutschlehrers Dr. Joachim Kalcher darauf achteten, bei der Drehbuchfassung glaubhaft eine Schulklasse von heute zu zeichnen und dabei so viel zu kürzen, dass der Spannungsbogen an keiner Stelle einbricht. Bewusst hat man Unterbrechungen durch störende Umbauten vermieden und stattdessen das Bühnenbild auf ein Minimum reduziert.

Wechselnde Orte wurden mit Lichtspots geschaffen. Dass in diesen Zweierszenen die ganze Gruppe im Hintergrund steht und dem Publikum den Rücken zudreht, wirkt umso bedrohlicher. Dort hinten formiert sich die Masse, die mit Parolen wie "Macht durch Disziplin. Macht durch Gemeinschaft" operiert und niemanden duldet, der sich nicht als dazu gehörig bekennt. Sie alle verhalten sich genauso wie die Mitläufer von 1933 bis 1945. Genau das wollte der engagierte Lehrer seinen Schülern beweisen mit seinem Experiment, das ihm schließlich aus dem Ruder läuft.

Da zieht er die Bremse und erklärt per Videoaufzeichnung, wie alle Mitläufer das eigene Denken eingestellt und sich die Meinung der Masse zu eigen gemacht haben. Die Mitglieder der Welle haben sich da längst unter das Publikum im Saal gemischt. Mit Improvisationsübungen haben die Lehrer und Regisseure Doris Lungstraß und Marco Isermann ihren Schülern geholfen, sich in überzeugende Darsteller zu verwandeln. Im Kunstunterricht ließ Eva Onnen-Saelens dazu Bilder malen und Pappmodelle formen, die Träume Jugendlicher beschreiben. Sie hängen am Bühnenhimmel und bekommen im Laufe des Stückes deutliche Risse.

(RP)
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