Leverkusen Das Kriegs-Lazarett im Bayer-Hauptlabor

Leverkusen · Bis zu 300 Betten für Verwundete standen im "Krankenhaus" der Farbenfabriken Leverkusen, das ab 6. August 1914 eingerichtet wurde.

 Verwundete Soldaten, die während des Ersten Weltkrieges im Bayer-Lazarett versorgt wurden, fühlten sich teils "wie im Hotel", heißt es in Chroniken. Das Foto stammt aus dem Album von Krankenschwester Käthe Breidenbach (steht in der obersten Reihe). Historiker Reinhold Braun sicherte den Nachlass.

Verwundete Soldaten, die während des Ersten Weltkrieges im Bayer-Lazarett versorgt wurden, fühlten sich teils "wie im Hotel", heißt es in Chroniken. Das Foto stammt aus dem Album von Krankenschwester Käthe Breidenbach (steht in der obersten Reihe). Historiker Reinhold Braun sicherte den Nachlass.

Foto: Archiv Braun

Er habe sich wie im Hotel gefühlt, schreibt der unbekannte junge Mann aus Mittweida. Er war "hocherfreut, dass es so etwas Schönes für uns gab." Was er in seinem Dankesbrief nach Leverkusen beschrieb, hatte allerdings wenig mit Urlaub oder Erholungsreise zu tun. Der Schreiber war 1915 als Verwundeter in das Bayer-Lazarett gekommen und wurde dort mitten im Chemiebetrieb ärztlich versorgt und von Schwestern so weit gesund gepflegt, bis er wieder fronttauglich war. Es war wohl ein einfacher Soldat, so wie die bis zu 300 Patienten, die hier während des Ersten Weltkriegs versorgt wurden. Er zählte auch die wenigen Habseligkeiten auf, die er noch besaß. Nicht viel mehr als das, was er auf dem Leibe trug, als er per Bahn direkt ins Hilfslazarett gefahren war. Bayer habe ihn mit neuer Kleidung ausgestattet, außerdem gab es Essen "wie im Hotel" und reichlich Schlaf. Schon zu Beginn des Ersten Weltkriegs haben die Farbenfabriken mit der Einrichtung eines Lazaretts in Leverkusen begonnen. Als Unterabteilung des "Festungslazaretts zu Cöln", mit dem die Firmenleitung auch einen offiziellen Vertrag schloss.

Historiker Reinhold Braun zeigt eine Kopie dieser Originalurkunde, die er neben vielen anderen Schriftstücken und Fotos im Bayer-Archiv fand. Eine Auswahl ist in mehreren Rahmen zur aktuellen Ausstellung "Heimatfront im Ersten Weltkrieg — Kriegserleben an der Niederwupper" in der Villa Römer zu sehen. Doch dahinter stecken sehr viel mehr Informationen, Geschichten und Querverbindungen, die Braun im Laufe von Jahren aufgespürt hat. Alleine zur Geschichte der Lazarette, von denen das bei Bayer nicht das einzige war, denn eines war auch in der Opladener Marienschule und in der Halle des Turnvereins Bergisch Neukirchen eingerichtet worden. Wohl aber war es mit einer Kapazität von bis zu 300 Betten das größte und am besten ausgerüstete. 180 Betten waren bereits am 6. August 1914 im wissenschaftlichen Hauptlabor aufgestellt worden.

In weiteren Räumen hatte man einen Operations- und einen Orthopädiesaal eingerichtet, es gab eine Apotheke, eine Röntgenkammer und weitere für einen Krankenhausbetrieb nötige Versorgungsräume. Das Essen wurde aus dem Bayer-Kasino geliefert.

Vier Ärzte waren für die ersten Verwundeten da. Später habe Bayer auch noch einen renommierten Chirurgen geholt, hat Reinhold Braun bei seinen Recherchen erfahren. Die Lazarett-Organisation, Einstellung und Ausbildung von Krankenschwestern hat Johanna Duisberg, die Frau von Carl Duisberg, selbst in die Hand genommen. Unterstützung bekam Johanna Duisberg von anderen Direktoren-Frauen, die wie sie dafür mit der Rot-Kreuz-Medaille ausgezeichnet wurden. An die Frauen und Töchter von Werksangehörigen richteten sie den Aufruf, sich zur Verwundeten-Pflege ausbilden zu lassen. Vermutlich ein Crash-Kurs, der gleich am ersten Augustwochenende 1914 begann. In der Haushaltungsschule, damals hinter dem Wiesdorfer Erholungshaus, wurde für die Soldaten gestrickt und gehäkelt, Bayer stellte die Wolle, bis sie auf dem Markt knapp wurde. An Sonn- und Feiertagen wurden Messen und evangelische Gottesdienste im Saal des Bayer-Lazarett gefeiert, wo es auch manche Veranstaltung gab. Konzerte zum Beispiel vom Bayer Männergesangverein und anderen Chören auch Köln und Elberfeld. Diverse Programme hat Braun in einem der dicken Ordner gesammelt. Zu Weihnachten wurde ein Tannenbaum geschmückt und alle Verwundeten bekamen Ansichtskarten-Hefte, damit sie zum Fest Grüße nach Hause schreiben konnten. Auch die Friseurinnung von Wiesdorf leistete ihren Beitrag und erklärte sich bereit, der Lazarett-Belegschaft kostenlos die Haare zu schneiden.

(mkl)
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