Prozess nach Razzia gegen Großfamilie Clan-Chef nach „Deal“ zurück in Leverkusener Villa

Leverkusen/Düsseldorf · In vorübergehender Freiheit warten die Leverkusener Angeklagten des Libanesen-Clans auf ihre Urteile am Donnerstag vor dem Düsseldorfer Landgericht. Erst wenn diese Urteile rechtskräftig sind, hätte der Staat Zugriff auf die Rheindorfer Villa. Doch wer würde sie ersteigern?

 Razzia in Rheindorf – im Juni 2021 durchsuchten Spezialkräfte der Polizei die Villa des Libanesen-Clans in Rheindorf.

Razzia in Rheindorf – im Juni 2021 durchsuchten Spezialkräfte der Polizei die Villa des Libanesen-Clans in Rheindorf.

Foto: RP/UM

Seit Juni 2022 sitzen sieben Mitglieder eines arabischen Clans auf der Anklagebank. Die Staatsanwaltschaft wirft den vier Männern und drei Frauen der in Leverkusen ansässigen, libanesischen Großfamilie unter anderem Geldwäsche und Sozialhilfebetrug vor. Gegen zwei der Frauen wurde das Verfahren gegen Auflagen eingestellt. Am kommenden Donnerstag sollen am Düsseldorfer Landgericht die Urteile verkündet werden.

Eine große Überraschung dürfte das für die verbliebenen Angeklagten nicht werden, sie haben im Vorfeld der anberaumten Urteilsverkündung über ihre Anwälte mit dem Gericht einen „Deal“ ausgehandelt. Gemeint ist damit eine juristische Verständigung, die den ungefähren Strafrahmen festschreibt. Im Gegenzug hatten die Angeklagten die ihnen seitens der Staatsanwaltschaft gemachten Tatvorwürfe teilweise eingeräumt. Das allerdings erst kürzlich, und damit bei mehr als 30 Verhandlungstagen recht spät im Prozessverlauf.

Erreicht hatten sie damit unter anderem auch, dass der Haftbefehl gegen die drei inhaftierten Angeklagten aufgehoben wurde. Sie wurden bereits aus der Untersuchungshaft entlassen und dürften mittlerweile in die Leverkusener Villa zurückgekehrt sein. Im Falle einer Verurteilung bleiben sie bis zum Haftantritt auf freiem Fuß, darunter auch der Hauptangeklagte Badia A.Z. 

Vor allem eine Frage hatte sich schon vor Prozessbeginn aufgedrängt: Was ist mit dem Anwesen in Rheindorf? Eigentümer soll einer der vier angeklagten Männer sein. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, die Immobilie mittels Geldwäsche und Sozialhilfebetrug finanziert zu haben. Obwohl sie auf 300 Quadratmetern Wohnfläche residierte und über erhebliches Vermögen verfügte, soll die Großfamilie zwischen 2014 und 2021 Sozialleistungen in Höhe von 456 000 Euro bezogen haben.

Schon seit 2019 war gegen Familienmitglieder ermittelt worden. Im Juni 2021 hatte die Polizei die Villa schließlich mit einem gepanzerten Fahrzeug gestürmt und durchsucht, scharfe Schusswaffen gefunden und 360 000 Euro Bargeld beschlagnahmt. Der Fall hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt. Insgesamt rund 600 Polizisten waren an der Razzia in 15 Städten in Nordrhein-Westfalen beteiligt.

„Mit Einkünften aus Straftaten haben die Angeklagten ein erhebliches Vermögen angehäuft“, so Staatsanwalt Radbod Tafaghodrad. Zum Prozessauftakt hatte er beinahe zwei Stunden lang die Tatvorwürfe der Anklage aufgelistet: „Sie trugen Rolex-Uhren und fuhren Mercedes S-Klasse.“ 

Wenn der Vorsitzende Richter am kommenden Donnerstag das Urteil verkünden wird, dürfte jenseits verhängter Strafen vor allem die Antwort auf eine Frage mit Spannung erwartet werden: Welche Vermögenswerte werden im Falle eines Schuldspruchs einzogen? Schon vor Prozessbeginn hatte die Staatsanwaltschaft die Villa in Rheindorf beschlagnahmt und einen sogenannten „Beschlagnahmevermerk“ im Grundbuch eintragen lassen. Im Klartext hieß das aber nur, dass die Immobilie nicht verkauft werden durfte. Der Eigentümer hatte mit teils mitangeklagten Familienmitgliedern mehrere Mietverträge abgeschlossen. Die wiederum hatten dazu geführt, dass die Sozialagentur den dort gemeldeten „Bedarfsgemeinschaften“ auf Antrag Sozialleistungen ausgezahlt hatte. Sollte der 25-Jährige am kommenden Donnerstag unter anderem wegen Geldwäsche schuldig gesprochen werden, wird sich die Kammer auch konkret dazu äußern müssen, ob die Immobilie eingezogen wird. Sollte das so sein, gäbe es für den Angeklagten theoretisch noch die Möglichkeit, gegen das Urteil in Revision zu gehen. Nach der bereits erfolgten Verständigung ist davon nicht auszugehen: Sollte also die Villa eingezogen und das Urteil rechtswirksam werden, wäre der Staat der rechtmäßige Eigentümer.

Der wiederum ist dann dazu angehalten, die Immobilie zu veräußern. Üblicherweise mittels Versteigerung an den Meistbietenden. Der neue Eigentümer hätte dann zwei Möglichkeiten: Er könnte Eigenbedarf anmelden, oder er muss in die bestehenden Mietverträge eintreten. Wäre letzteres der Fall, könnte die Großfamilie wohl auch zukünftig dort wohnen bleiben.

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