Nach Chemie-Unglück in Leverkusen Landesumweltamt teilt mit - Keine Rückstände von Dioxin im Ruß

Leverkusen · Das Landesumweltamt meldet zum Rußregen nach der Explpsion: Keine Rückstände von Dioxin und dioxinöhnlichen Stoffen in den Partikeln. Die Ermittlungen zu weiteren möglichen Stoffen halten an. Zwei Arbeiter werden nach wie vor vermisst.

Messwagen von Curranta prüfen den Schadstoffgehalt in der Luft.

Messwagen von Curranta prüfen den Schadstoffgehalt in der Luft.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Das nordrhein-westfälische Landesumweltamt (Lanuv) hat eine erste Analyse der Stoffe abgeschlossen, die mit der Rauchwolke nach der Explosion in die umliegenden Wohngebiete getragen wurden. An frühen Freitagnachmittag teilt das Lanuv mit: „Keine Rückstände von Dioxin und dioxinähnlichen Stoffen in den Rußpartikeln festgestellt. Auf weitere Stoffe wird untersucht. Vorsorgemaßnahmen bleiben daher bestehen.“

Die Messungen der Ruß- und Staubrückstände ergaben eine nur geringe Schadstoffbelastung. „Bei den Stoffgruppen der Dioxine (einschließlich dioxinänliche PCB) wurde die Bestimmungsgrenze nicht erreicht. Bei den Polychlorierten Biphenylen (PCB) und den Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) wurden sehr geringe Werte gemessen, die die Bewertungsgrenzen unterschritten“, gibt das Landesamt bekannt. Dies deute darauf hin, dass  die am Brand beteiligten Stoffe  „nurein geringes Dioxin-Bildungspotential hatten. Darüber hinaus waren offenbar die Reaktionsbedingungen in der unkontrollierten Verbrennung nicht geeignet, die Bildung der genannte Stoffe zu unterstützen oder haben diesen Prozess sogar gehemmt.“

Die Spielplätze in der Stadt, hier das Areal am Bendenweg in Bürrig, sind vorsorglich gesperrt.

Die Spielplätze in der Stadt, hier das Areal am Bendenweg in Bürrig, sind vorsorglich gesperrt.

Foto: Ludmilla Hauser

Auch bei Luft-Messungen gab es laut Lanuv zu anderen brandüblichen Stoffe keine Auffälligkeiten.

Allerdings: Eine 100-prozentige Entwarnung ist dies offensichtlich noch nicht, denn das Lanuv teilt weiter mit: Die Ermittlungen dazu, welche weiteren Stoffe noch bei der Explosion beteiligt waren, dauere an. „Daher ist noch unklar, ob weitere, bisher unbekannte Stoffe in die nähere Umgebung der Brandstelle eingetragen wurden.“ Heißt für Bürger:  Die bisher geltendem Maßnahmen  weiter beherzigen. Also: Auf den Verzehr von Obst und Gemüse aus dem Garten sollte weiterhin verzichtet werden, verunreinigte Flächen dürfen nicht angefasst und auch nicht selber gereinigt werden. Das gelte neben Leverkusen auch für Leichlingen. Auch dorrt waren vereinzelt Rußpartikel gefunden worden. In beiden Städten sind nach wie vor die Spielplätze vorsorglich gesperrt.

 Trauerbeflaggung im Chempark: Unter anderem Lanxess und Tochterfirma Saltigo haben ihre Beflaggung mit Trauerflor versehen.

Trauerbeflaggung im Chempark: Unter anderem Lanxess und Tochterfirma Saltigo haben ihre Beflaggung mit Trauerflor versehen.

Foto: Ludmilla Hauser

Das Landesamt hat angefangen, ein so genanntes Screening-Programm zu erarbeiten, das etwa Boden- und Pflanzenproben beinhalten soll. „Dieses Programm wird mit den bereits laufenden Messungen der Currenta auf dem Werksgelände synchronisiert“, erläutert das Lanuv.

In einer ersten Einschätzung war das Amt davon ausgegangen, dass es sich um „Dioxin-, PCB- und Furanverbindungen“ gehandelt haben könnte.

Unterdessen beginnt auch in Leverkusen die politische Aufarbeitung der Katastrophe. SPD-Ratsfraktionschefin Milanie Kreutz ist tief getroffen spricht von einer „unfassbaren Tragödie“. Sie hatte das Geschehen von ihrem italienischen Urlaubsort aus verfolgt  und sich daraufhin mit dem Krisenstab und Oberbürgermeister Uwe Richrath (SPD) in Verbindung gesetzt. Als Aufsichtsratsvorsitzende des Wasserversorgers EVL habe sie sich nach den möglichen Folgen für die Wasserversorgung erkundigt. Krisenstab und Einsatzkräfte hätten gute Arbeit geleitet. „Jetzt muss die Aufklärung folgen. Wir müssen die Gründe für die Katastrophe erfahren und verhindern, dass sich das wiederholt“, sagt Kreutz. Nur durch umfassende Aufklärung auch über die Umweltfolgen könne das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewonnen werden. Hier sei Currenta als Konzern gefragt, ebenso bei der menschlichen und finanziellen Betreuung und Versorgung der Angehörigen. Nach der Flut die Chemiewolke  - „uns geht in Leverkusen die Luft aus“. Umweltthemen rückten zunehmend in den Vordergrund. Auch der geplante Autobahnausbau gehöre dazu. Nächste Woche will Kreutz einen Termin mit der Autobahn GmbH in Berlin wahrnehmen.

„Den Einsatzkräften kann man nur danken“, sagt die CDU-Bundestagskandidatin Serap Güler. „Sie waren rund um die Uhr unterwegs.“ Das Geschehen müsse vom Unternehmen selbst, aber auch politisch nachgearbeitet werden. „Das steht jetzt an.“ Daraus aber bereits konkrete politische Forderungen zu formulieren, dazu sei es noch zu früh. Zunächst müssten neben den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen Fragen der Einsatzabläufe und vor allem der Umweltfolgen aufgearbeitet werden. „Die Umweltfrage beschäftigt die Menschen besonderes und muss schnell geklärt  werden.“  Besonders schlimm sei es aber für die Opfer und deren Angehörige. „Meine Gedanken und Gebete waren von Anfang an bei ihnen und den Einsatzkräften“, sagt Güler.

Rasche Aufklärung fordern auch die Leverkusener Grünen. Sie haben einen umfangreichen Fragenkatalog formuliert und an den Oberbürgermeister versandt. Das Lanuv habe die freigesetzten Schadstoffe nach der Explosion gemessen, erhalte aber erst Tage später die vollständigen Unterlagen zu den Stoffen, die sich in den Tanks befunden haben. Daher seien die Messungen unvollständig geblieben. Fraktionsvorsitzende Roswitha Arnold sagt:  „Wir halten es für zwingend notwendig, die Untersuchungen des Lanuv auf der Grundlage der viel zu spät vorgelegten Unterlagen zu erweitern. Es ist die schlichte Pflicht gegenüber der Bevölkerung, dass alle erdenklichen Risiken benannt, untersucht und erst dann ausgeschlossen werden."

Derweil gehen seit Dienstag im Klinikum vermehrt Anrufe von besorgten Bürgern ein, die sich rudn ums Thema Lunge und Lungenbelastung erkundigen, heißt es aus Schlebusch.

Im Chempark-Entsorgungszentrum gehen an Tag drei nach der Katastrophe die Aufräum- und Sicherungsarbeiten weiter. Die Zufahrt ab dem Kreisel Westring ist mit Warndreiecken und Mitarbeitern in Warnwesten besetzt. Dahinter sind Feuerwehrwagen zu sehen. Auf dem Westring ist Geruch wahrzunehmen, der an Gülle erinnert. Ob er aus dem Entsorgungszentrum kommt oder tatsächlich von einer landwirtschaftlichen Fläche ist nicht auszumachen. Currenta weist darauf hin: Im Zuge der Arbeiten „kann es leider immer wieder zu Geruchsbelästigungen auf angrenzenden Flächen und in den naheliegenden Wohngebieten kommen. Die Arbeiten der Werkfeuerwehr werden kontinuierlich und detailliert überwacht, um sicherzustellen, dass keine Gefahrstoffe in die Umwelt gelangen. Hierzu ist auch der Luftmesswagen im Einsatz.“

Für Bürgeranfragen ist das Currenta--Bürgertelefon weiter geschaltet unter 0214 260599333, die Bürger-nfo des Lanuv ist unter unter buergeranfragen@lanuv.nrw.de erreichbar.

(bu, LH)
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