Leverkusen Bayer trennt sich von der Kunststoff-Sparte

Leverkusen · Der Konzern will sich auf Pflanzenschutz und Pharma spezialisieren. BMS soll an die Börse gehen. Standortsicherung bis 2020 verlängert.

 Bayer-Chef Marijn Dekkers (oben) verkündete die Abtrennung von BMS. Frank Löllgen, Peter Hausmann (beide IG BCE) und Gesamtbetriebsratschef Thomas de Win stellten die Beschäftigungssicherungsvereinbarung vor.

Bayer-Chef Marijn Dekkers (oben) verkündete die Abtrennung von BMS. Frank Löllgen, Peter Hausmann (beide IG BCE) und Gesamtbetriebsratschef Thomas de Win stellten die Beschäftigungssicherungsvereinbarung vor.

Foto: Uwe Miserius

Gesamtbetriebsratschef und Bayer-Aufsichtsrats-Vize Thomas de Win war es sichtlich unangenehm, als er gestern in einer eilig einberufenen Pressekonferenz der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) sagen musste, dass Bayer zuerst die Öffentlichkeit informiert hat und heute erst die Mitarbeiter. "Es war nicht anders machbar. Sonst machen wir es umgekehrt", lieferte er als maue Erklärung für einen tiefen Einschnitt in die Geschichte des Bayer-Konzerns. Der 18. September 2014 ist der Tag, an dem sich Bayer vom Chemiegeschäft verabschiedet.

Die Vorstandsspitze verkündete nach der Sitzung des Aufsichtsrates das, was immer wieder geunkt worden war: Der Konzern trennt sich von der Kunststoff-Sparte MaterialScience. Statt Pharma, Pflanzen, Plastik, heißt es ab 2016 bei Bayer nur noch Pharma und Pflanzen. MaterialScience soll ein eigenständiger Konzern werden - über einen Börsengang. Sowohl Konzernchef Marijn Dekkers als auch Peter Hausmann vom IG BCE-Hauptvorstand plädierten für diese Variante der "von uns unabwendbaren Ausgründung" (Hausmann). Möglich sein könnten aber auch ein Spin-off wie bei Lanxess oder der Kauf von BMS durch einen Anbieter. Letztere Option wollte Dekkers jedenfalls nicht ausschließen: "Wenn ein Angebot käme, haben wir die Verantwortung, darüber nachzudenken." Die Arbeitnehmerseite geht zunächst vom Börsengang aus, de Win kann sich auch vorstellen, dass BMS ein Dax-Unternehmen wird.

Gestern war man beim Konzern um Watteweichheit bemüht: Denkers bezeichnete die Kunststoffsparte, die nach der Abspaltung weiter vom derzeitigen Vorstandschef Patrick Thomas geführt werden soll, als "Weltklasse". Kritik wie die Tatsache, dass BMS zuletzt seine Kapitalkosten nicht verdienen konnte, wischte der Manager weg: "Natürlich haben wir konjunkturell schwierige Jahre hinter uns, wir sind aber zuversichtlich, dass BMS seine Kapitalkosten bald wieder verdient." Nach der Abkopplung wäre laut Dekkers BMS das viertgrößte Chemieunternehmen in Europa, unter anderem nach BASF und Evonik.

Durch einen eigenen Zugang zum Kapitalmarkt (Börse) könne BMS flexibler handeln, als derzeit im Schatten der Life-Science-Bereiche HealthCare und CropScience. "Da steht BMS bei Investitionsfragen derzeit nicht immer an erster Stelle", gestand Dekkers. Er will bis Anfang 2015 die rechtliche Trennung vollziehen, in zwölf bis 18 Monaten soll MaterialScience mit neuem Namen an die Börse gehen.

BMS hat weltweit 17 000 Mitarbeiter, in Deutschland 6500. Für die habe die IG BCE mit Bayer seit zwei Wochen schwierige Verhandlungen geführt. "Aber was rausgekommen ist, kann sich sehen lassen: die Beschäftigungssicherung bis Ende 2020", betonte Hausmann. Die galt bisher bis Ende 2015. Bedeutet: Betriebsbedingte Kündigungen wird es in der Zeit bei Bayer und BMS nicht geben, dafür eine Personalbestandsgarantie, und alle Mitarbeiter blieben in den betrieblichen Altersvorsorgesystemen, versicherte de Win. Sitz der BMS AG soll Leverkusen sein, auch die anderen deutschen Standorte bleiben bestehen. Dass Bayer der IG BCE mit der Beschäftigungssicherung entgegenkommen wollte für die BMS-Abtrennung, schlossen Hausmann und de Win aus: "Bei solchen Verhandlungen gibt es keine Geschenke. Da standen durchaus kürzere Zeitpunkte bei der Standortsicherung zur Diskussion", sagte de Win. "Zu Anfang stand da sogar nichts", sagt Hausmann. Er betonte: Die Mitarbeiter-Vereinbarung gelten auch, wenn BMS verkauft würde.

(RP)
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