Rückblende mit Blick ins Foto-Archiv „Babylon Leverkusen“? So war’s in den 1920ern

Leverkusen · Ab Sonntag versetzt die Krimiserie „Babylon Berlin“ die Zuschauer mit der dritten Staffel (ARD/Das Erste) ins Berlin der 1920er Jahre. Gibt’s Parallelen zu den „Wilden 20er Jahren“ in Leverkusen? Eine Spurensuche.

 Der Herr Landrat mit seiner Familie: Peter Trimborn posiert mit Frau und Tochter vor dem Landratsamt in Opladen. Hübsch: das Auto und die Mode damals.

Der Herr Landrat mit seiner Familie: Peter Trimborn posiert mit Frau und Tochter vor dem Landratsamt in Opladen. Hübsch: das Auto und die Mode damals.

Foto: Stadtarchiv Leverkusen

„Ich bin nicht sicher, ob es hier in Leverkusen so wild zuging“, sagt Gabriele John, die Leiterin des Stadtarchivs. „Wenn man es wild haben wollte, fuhr man nach Köln oder Düsseldorf.“ Also gähnende Langeweile statt heißem Charles­ton? Nein. Mag die Zeit der „Goldenen Zwanziger“ für das heutige Stadtgebiet von Leverkusen nicht wirklich wild gewesen sein, spannend war sie allemal. Die Aufbruchstimmung nach dem Ersten Weltkrieg war überall zu spüren.

Kultur In der Publikation „Kulturarbeit bei Bayer“ ist von „Befreiung der Sitte und Kultur von überkommenen Zwängen und Konventionen“ die Rede. Dort heißt es unter anderem: „Wiesdorf war keine verschlafene Provinzstadt, die sich in beschaulicher Selbstzufriedenheit von der kulturellen Entwicklung ausgeschlossen hätte.“ Ganz im Gegenteil verschmolzen „die lokale Vereinskultur und ein hochkarätiger Konzert- und Gastspielbetrieb zu einer unverwechselbaren Einheit“.

  Stolz zeigt sich Schützenkönig Adolph Kleinschmidt 1926 mit Gefolge.

Stolz zeigt sich Schützenkönig Adolph Kleinschmidt 1926 mit Gefolge.

Foto: Stadtarchiv

Männergesangvereine pflegten „die gute Chormusik“, auch die Geselligkeit kam nicht zu kurz. Curt Duisberg, jüngster Sohn des ersten Generaldirektors, regte die Abonnement-Konzerte an, die im Zusammenspiel mit der Vereinsarbeit zur Verbreitung des Rufes der „Musikstadt Leverkusen“ beitrugen. Insofern konnte die Gemeinde Wiesdorf auf musikalischem Sektor durchaus den Vergleich mit den umliegenden rheinischen Großstädten bestehen.

 Am Landratsamt startete 1929 der Corso zum Manforter Stadion. Dort wurde der Verfassungstag mit einem großen Sportfest gefeiert.

Am Landratsamt startete 1929 der Corso zum Manforter Stadion. Dort wurde der Verfassungstag mit einem großen Sportfest gefeiert.

Foto: Stadtarchiv Leverkusen

Stadt und Werk starteten eine kulturelle Kooperation. Etwa mit Gründung der Wiesdorfer Oratorien-Gesellschaft, dem als „Konzertchor Wiesdorf“ gegründeten späteren Städtischen Chor. Im Mai 1927 unterbreitete die Stadt anlässlich der Verlegung der Lesehalle vom Erholungshaus in das Ledigenheim dem Werk das Angebot, die Lesehalle in städtische Verwaltung zu übernehmen. Bayer lehnte aber ab.

Bauen Umgekehrt dokumentierte die Einflussnahme auf die künstlerische Gestaltung öffentlicher Plätze und architektonischer Ensembles das kulturpolitische Engagement der Unternehmensleitung: Wohnkolonien und Parkanlagen wurden mit Brunnen und Denkmälern ausgestattet, Werke bedeutender zeitgenössischer Künstler in Auftrag gegeben.

Eine rege Bautätigkeit machte sich überall in der Stadt bemerkbar. Der ehemalige Gemeindebaumeister Wilhelm Fähler errichtete etwa das Carl-Duisberg-Gymnasium und die Neuenhof-Siedlung in Küppersteg. Architektenkollege Dominikus Böhm baute die Christus-König Kirche in Küppersteg. 1925 gab es eine Premiere beim Gemeinnützigen Bauverein Opladen (GBO), der mit einem Dreifamilienhaus an der Alten Landstraße in Küppersteg erstmals ein Haus außerhalb der einstigen Kreisstadt vollendete.

Sport Als 1920 der erste Gongschlag beim Amateur-Box-Verband ertönte, waren Leverkusener Faustkämpfer mit am Start. Zunächst nicht öffentlich frönten sie ihrer Leidenschaft in der Turnhalle des „Turn- und Spielvereins TuS 1904“. Ab 1921 existierte ein eigener „Box- und Sportverein Wiesdorf“. Von Mittelrhein- bis zu Europameisterschaften, von Welt-Titelkämpfen bis zu Olympischen Spielen errangen Bayer-Boxer Medaillen.

Nach dem Aufschwung folgte 1929 die Weltwirtschaftskrise. Doch das ist eine andere Geschichte.

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