Deutsch-Japanische Ausstellung in Leverkusen 1100 verklebte Silber-Buchstaben

Leverkusen · Nana Hirose und Kazuma Nagatani haben beim Kunstverein einen ästhetischen Raum voller Fragen geschaffen. Beide sind in Japan aufgewachsen und nach dem Studium nach Deutschland gekommen.

 Nana Hirose (mit Kappe) und Kazuma Nagatani in ihrer Ausstellung, die in Kooperation mit Boa Basedonart und Mariko Mikami entstanden ist.

Nana Hirose (mit Kappe) und Kazuma Nagatani in ihrer Ausstellung, die in Kooperation mit Boa Basedonart und Mariko Mikami entstanden ist.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Wo kann ich hintreten, und darf ich überhaupt? Unbedingt! Nur wer das Werk von Nana Hirose und Kazuma Nagatani betritt, kann eintauchen in die Arbeit, die eigentlich nur aus Großbuchstaben auf Fliesenquadraten besteht. Doch umhüllt und umgibt sie jeden Besucher des Kunstvereins Leverkusen vollkommen. Denn die Lettern aus spiegelnder Silberfolie werden vom Licht auf Wände und Decke übertragen. Und nur wer im Raum steht und sich umwendet, kann die Worte entziffern, die hier ohne Leerräume fortlaufend aneinander gelegt wurden wie die Anordnung eines Spiels.

Warum ist der Himmel blau? Warum ist das Wasser nass? Warum fallen die Sterne nicht vom Himmel? Warum regnet es auch an Sonntagen? Es sind typische Kinderfragen, die das Künstlerpaar im Internet recherchiert und hier, nur durch Fragezeichen getrennt, aneinander gereiht hat.

Fragen, die Erwachsenen banal erscheinen, auf die sie aber selten wirklich erschöpfende Antworten wissen, obwohl sie es nicht immer zugeben werden. Manche stammen nämlich aus Internetforen, in denen Eltern um Erklärungshilfen auf Warum-Fragen ihrer Kinder baten. Das erzählt Kazuma Nagatani, der wie Nana Hirose in Japan geboren wurde und in Kyoto Kunst studierte, bevor beide 2007 nach Deutschland kamen.

Wer in die 37 scheinbar naiven Fragen aus rund 1100 verklebten Silber-Buchstaben eintaucht, beginnt bald sein eigenes Wissen zu überdenken. Ehrlicherweise sind Erklärungsversuche selten wirklich erschöpfend, die Erkenntnis – trotz aller Wissenschaft – beschränkt im demütigen Sinne von Sokrates: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Somit haben Nana Hirose und Kazuma Nagatani auch eine philosophische Betrachtung angestoßen und eine Überprüfung der eigenen Einstellung. „Es ist nicht wichtig, die Fragen zu beantworten“, sagt Nana Hirose, „sondern sie zu stellen.“ So muss man unweigerlich an den Apfel der Erkenntnis denken angesichts der roten Früchte, die locker im Raum verteilt sind. Mit dieser Arbeit „Why don’t cats wear shoes?“ ist es ihnen gelungen, ein komplexes Thema leicht, spielerisch und sehr ästhetisch begreifbar zu machen.

Diese Verspieltheit begegnet Besuchern auch im zweiten Raum, in dem das Duo eine riesige weiße Tafel reich gedeckt hat mit Dingen aus dem eigenen Alltag: Brötchen, Erdnüsse, Löwensenf, Ikea-Glas, Leibnitzkeks, Milka-Schokolade, Gurke, Orange und Weinflasche. Alle Gegenstände sind aus weißem, unglasiertem Porzellan hergestellt. Weil die Masse etwas flüssiger angemischt wurde, ergaben sich beim Brennvorgang unterschiedlich starke Verformungen. So sind Croissants fast platt, Cola- oder Fischdose zerknautscht wie Teile aus einem Mülleimer. Obwohl sie Farbe und Form verloren haben, werden sie als bekannte Dinge wahrgenommen. Die Grenzen zwischen Kunst und Alltagsgegenständen sind aufgehoben.

Die Ausstellung ist in Kooperation mit Boa Basedonart und Mariko Mikami zum 160. Jahrestag der Deutsch-Japanischen Freundschaft entstanden und der Abschluss einer fünfteiligen Reihe mit japanischen Künstlern, die in Düsseldorf leben oder studiert haben. Auftakt war die Schau von Yoshio Shirakawa, dessen Fahnen bei einer Fahrradaktion durch Leverkusen gefahren wurden.

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