Leverkusen/Köln Auch Deutsche fürchten Trumps Niveau

Leverkusen/Köln · Bei der Nominierungsveranstaltung für Karl Lauterbach zum Bundestag sorgte sich die SPD um den politischen Stil.

 Wenn Karl Lauterbach redet - sei es im Wahlkampf oder im Bundestag - zählen Argumente und nicht die Show.

Wenn Karl Lauterbach redet - sei es im Wahlkampf oder im Bundestag - zählen Argumente und nicht die Show.

Foto: dpa

Die Wahlkämpfe im nächsten Jahr könnten ziemlich schmutzig werden. Das Verhalten der Alternative für Deutschland (AfD) und der von Donald Trump eingeführte emotionsgeladene US-Präsidentschaftswahlkampf werden dabei eine Rolle spielen, glauben zumindest führende SPD-Politiker wie Bundestagsabgeordneter Prof. Karl Lauterbach und der Kölner SPD-Vorsitzende und NRW-Landtagsabgeordnete Jochen Ott. Er warb Freitagabend darum, "sich in der wahrscheinlich aufgeheizten Wahlkampfstimmung auf unsere Grundwerte zu besinnen und das Niveau zu halten". Ott sagte dies in seiner Begrüßungsrede zur Nominierungsveranstaltung für Lauterbachs Bundestagskandidatur in Köln.

Parteifreund Lauterbach ist gerade von einer zweiwöchigen Reise als Gastprofessor aus den USA zurückgekehrt. Dabei habe er sich auch den US-Wahlkampf genauer angesehen: "Trump vergiftet die gesamte amerikanische Gesellschaft", diagnostizierte der Arzt und Ökonom Lauterbauch und schob nach: "Unabhängig davon, ob der Irre gewählt wird, in den USA zählen nur noch Stimmungen und Behauptungen." Fakten würden nicht mehr zur Kenntnis genommen, hätten ihm seine Havard-Kollegen und andere Amerikaner bestätigt.

"Im Internet und in den sozialen Medien zählen Behauptungen mehr als die Darstellungen eines Nobelpreisträgers", berichtete Lauterbach. Diese systematische "Entwertung des Wissens" sei eine neue Erfahrung. Der SPD-Politiker befürchtet, dass die Art, wie Trump agiere, nach Europa und damit in die deutschen Wahlkämpfe schwappe. "Das ist Gift. Wenn wir das bekommen, sind wir platt!" Gewinne allerdings Hillary Clinton, werde es in den USA in den nächsten drei Jahren nur darum gehen, ob sie wegen ihrer Verfehlungen zurücktreten müsse.

Lauterbach zog für sich ein Fazit: "Wir als SPD müssen sehr schnell lernen, wie wir die neuen Medien (Facebook, Twitter, Instagram etc.) nutzen, um Formen wie Trump und Co in Deutschland zu verhindern. "Ich twittere inzwischen täglich", bekannte Lauterbach. Seine Nominierung zum Bundestagskandidaten stellte er mit Foto noch Freitagnacht ins Twitternetz. In seinem Rückblick auf seine politische Arbeit lobte er die SPD-Bundestagsfraktion und sich für die vielen Erfolge, die die Genossen in der großen Koalition geschafft hätten. 70 Prozent des Koalitionsvertrages stammten aus der Feder der SPD, behauptete Lauterbach Freitagabend in Köln und zählte die Gesundheitsgesetze auf, die er mitentwickelt habe.

Die Verhandlungen habe er vor allem mit CDU-Politiker Jens Spahn geführt. Dies sei in einer Atmosphäre "des gegenseitigen Hasses und Misstrauens" geschehen. Ein Grund laut Lauterbach: "Wir wollten beide Gesundheitsminister werden." Lauterbach blieb bekanntlich ohne Amt (sieht man von der Wahl zum Vize-Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion ab), Spahn dagegen ist seit Juli 2015 Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.

Zumindest sechs der 87 Delegierten auf der SPD-Nominierungsveranstaltung lehnten die erneute Kandidatur von Lauterbach ab (einen Gegenkandidaten gab es aber nicht). Sein gut 30-minütiger Vortrag zum Gesundheitswesen wurde auch kritisiert. Er habe wenig bis nichts zum Berliner Politikgeschehen und insbesondere nichts zum Erstarken der AfD gesagt, beklagte eine SPD-Delegierte. Lauterbach legte nach: Dass es in Deutschland eine solche rechtspopulistische Partei noch nicht gegeben habe, sei eigentlich eine Überraschung. Alle anderen Länder - außer Spanien - hätten längst diese Parteien. Verzögert habe sich dies in Deutschland wegen der Hypothek mit der Hitler-Diktatur und in Spanien wegen der Vergangenheit mit Franco.

Die AfD wäre langfristig im Internetzeitalter sehr schwer verhinderbar gewesen, meinte Lauterbach. Die AfD wäre sicher entstanden, ob eine große Koalition in Berlin gekommen wäre oder nicht. Die rechtspopulistischen Parten würden allerdings stärker, wenn es Regierungen, die durch große Koalitionen gebildet werden, länger gebe. Dies habe die Erfahrung in anderen Ländern, insbesondere in Österreich, gezeigt. Auch deshalb befürwortet Lauterbach ausdrücklich eine rot-rot-grüne Bundesregierung, also mit SPD, Linken und Grünen, nach der nächsten Bundestagswahl. Eine Fortsetzung der großen Koalition würde den rechten politischen Rand weiter stärken.

(RP)
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