Leverkusen Argumentationshilfe von oben stößt übel auf

Leverkusen · Eine Mail aus der Grünen-Bundeszentrale über die "Sprachregelung zum Kohleausstieg und zur Verkehrswende" sorgt für Unmut an der Basis.

Leverkusen: Argumentationshilfe von oben stößt übel auf
Foto: Imago

Seit dem 29. April 1998 ist Dirk Danlowski Mitglied der Grünen in Leverkusen. Auf der Internetseite der Partei begründet der Ratspolitiker das unter anderem mit der lebendigen Debattenkultur: "Offen und debattierfreudig unterscheiden wir uns deutlich von den anderen Parteien und Gruppierungen", betont Danlowski dort. Die verschiedenen Meinungen und Ideen der Mitglieder seien "eine Bereicherung für Partei und Fraktion. Gerade das macht uns als Partei so spannend."

Ein Statement aus Überzeugung: Denkt der in Quettingen lebende Mechatroniker in diesen Tagen jedoch an die grüne Bundespartei, müsste er in Sachen Debattenkultur und Kommunikation sein Statement wohl überarbeiten.

In der vergangenen Woche erhielten er und viele andere grüne Funktionsträger in den Stadt- und Kreisverbänden landauf, landab eine Mail aus der Parteizentrale in Berlin. Darin informierte sie der politische Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, über die "Sprachregelung zum Kohleausstieg und zur Verkehrswende".

 Dirk Danlowski, Stefan Baake und Klaus Wolf stören sich an der Bundesgrünen-Mail.

Dirk Danlowski, Stefan Baake und Klaus Wolf stören sich an der Bundesgrünen-Mail.

Foto: LH, privat, UM (Archiv)

Bei den Verhandlungen zur Bildung einer Jamaika-Koalition im Deutschen Bundestag waren die Bundesgrünen zuvor Union und FDP bei einem ihrer Kernthemen entgegengekommen. Demnach beharren sie nicht mehr auf einem Ende von Benzin- und Dieselmotoren bis spätestens 2030. Auch in der Kohlepolitik signalisierten sie Kompromissbereitschaft.

"Wenn ihr dazu gefragt werdet", schreibt der Geschäftsführer in seiner Mail an die Basis, solle ein beigefügter Text für die Antwort genutzt werden. Der schildert im Umfang eines Kurzreferats bundespolitische Befindlichkeiten. Unter anderem heißt es: "Wir haben jetzt zwei Wochen lang gesehen, wie sich die anderen Parteien in der Debatte um die Verkehrspolitik der Zukunft aufstellen. Von daher sind wir realistisch, dass die Grünen als einzige Partei das Enddatum 2030 für die Neuzlassung von Pkw mit fossilen Verbrennungsmotoren nicht durchsetzen werden können. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Wovon wir aber nicht abweichen werden, ist eine klare Wende in der Automobilpolitik." Als "weichgespült", hat nicht nur Dirk Danlowski das Schreiben empfunden - "übrigens einen Tag nach den neuen Demos in Garzweiler gegen den Braunkohle-Abbau".

Leverkusen: Argumentationshilfe von oben stößt übel auf
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Auch andere grüne Parteimitglieder in Leverkusen, ebenso wie in den umliegenden Städten, signalisierten inzwischen, die Sprachregelung nicht einfach übernehmen zu wollen. Einer sprach sogar von "Gehirnwäsche".

Soweit würde Stefan Baake nicht gehen: Er ist stellvertretender Fraktionschef der Grünen im Leverkusener Stadtrat und verweist darauf, dass die Sprachregelungs-Mail vor allem eine Angelegenheit der Partei sei und nicht der politischen Fraktionen in den Parlamenten. Gleichwohl: Privat sei auch er der Auffassung, dass der Stil nicht unbedingt glücklich sei.

Aus Berlin heißt es bei den Grünen auf Anfrage, solche Argumentations-Hilfen seien durchaus üblich. Also alles ganz normal?

Der Leverkusener Klaus Wolf ist einer der Gründer der Partei. Er kennt die Debatten aus frühen Tagen, den unterschiedlichen Ansatz von Realos und Fundis. Und er kennt natürlich auch die aktuelle E-Mail des grünen Bundesgeschäftsführers. Die, so sagt Klaus Wolf im Gespräch mit unserer Redaktion, habe ihn gar nicht mal besonders aufgeregt, denn auf eines könne man sich bei den Grünen auch vier Jahrzehnte nach ihrer Gründung immer noch verlassen: "Sprachregelung haben bei uns noch nie funktioniert."

(RP)
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