Motoradrennen in Schlebusch Auf dem „Knatterstuhl“ zum Sieg

Leverkusen · Der Manforter Anton „Toni“ Müller war ab Ende der 1940er Jahre Privatrennfahrer und bestritt auch einige der legendären Schlebuscher Motorradstraßenrennen.

 Toni Müller 1951 auf dem Grenzlandring in Erkelenz.

Toni Müller 1951 auf dem Grenzlandring in Erkelenz.

Foto: Rolf Dieter Müller

Eine Prise Rennluft mit Gummigeruch und Motorengedröhn zu erleben, ist in Deutschland heutzutage nur noch auf Nürburg- und Hockenheimring möglich. Das war früher anders. Denn beim legendären Motorrad-Straßenrennen „Um das Bayerkreuz“ legte der Rennzirkus auch in Schlebusch Station ein, zumindest Ende der 1940er, Anfang der 1950er Jahre.

 Toni Müller mit der Startnummer 60 beim Grenzlandring-Rennen 1951.

Toni Müller mit der Startnummer 60 beim Grenzlandring-Rennen 1951.

Foto: Rolf Müller

Das erste Rennen fand am 12. September 1948 statt – mit 35.000 Zuschauern entlang des fast drei Kilometer langen Rundkurses. Nachwuchsfahrer kamen aus ganz Deutschland, aber vor allem aus Langenfeld, Leichlingen, Monheim und Burscheid.

 Rolf Dieter Müller, Sohn des Motorrad-Rennfahrers Anton „Toni“ Müller, arbeitet aktuell anhand von Tagebuchaufzeichnungen die Memoiren seines verstorbenen Vaters auf.

Rolf Dieter Müller, Sohn des Motorrad-Rennfahrers Anton „Toni“ Müller, arbeitet aktuell anhand von Tagebuchaufzeichnungen die Memoiren seines verstorbenen Vaters auf.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Der Leverkusener Anton „Toni“ Müller hatte vermutlich die kürzeste Anreise. Der 26-Jährige war einer jener tollkühnen Privat-Motorradrennfahrer und „Jungen Wilden“, die nach dem Krieg ganz versessen auf Geschwindigkeitsrausch und Risiko waren. Froh, den Zweiten Weltkrieg unversehrt überstanden zu haben und bereit, einiges zu wagen, lieferte er sich mit gleichaltrigen Motorradpionieren spannende Wettbewerbe auf den Pisten der jungen Bundesrepublik. Nach den ersten Wettrennen 1946 in Neuwied wurde schon 1947 wieder um die Deutsche Meisterschaft gerungen.

 Fahrerkarte für das Rennen um das Bayerkreuz 1950.

Fahrerkarte für das Rennen um das Bayerkreuz 1950.

Foto: Rolf Müller

Müller startete 1949 mit der Nummer 118 und einer gebrauchten DKW, da die Produktion neuer Motorräder noch nicht erlaubt war. In der Klasse bis 250 ccm Hubraum belegte er nach 15 Runden den zweiten Platz hinter dem Erstplatzierten, dem Waldbröler Bernhard Humpert auf NSU. Einen Tag zuvor hatte Müller beim Zementbahnrennen in Wuppertal noch als Sieger auf dem Podest gestanden.

Obwohl Müller bei mehr als 80 Läufen zahlreiche Pokale, Preise und Medaillen einheimste und insgesamt 15 Mal mit den Rennsport-Assen an die Spitze fuhr, war der gebürtige Wegberger an seinem neuen Wohnort Leverkusen nicht wirklich bekannt. Sohn Rolf Dieter Müller, der aktuell die Memoiren seines verstorbenen Vaters anhand von Tagebuchaufzeichnungen aufarbeitet, vermutet, „dass es daran lag, weil mein Vater als Mitglied des Kölner Motorsportvereins antrat“.

Allerdings schien Müller-Senior Sprit, anstelle von Blut in den Adern zu haben. Denn schon als 13-jähriger Junge saß er in seiner Heimatstadt mit einer Fahrer-Sondererlaubnis zum ersten Mal auf dem Sattel einer Maschine mit Sachs-Motor. Aus ersten Fahrversuchen entwickelte sich nach und nach die Leidenschaft zu PS-starken Kolbenmotoren.

Nur einen störte das: den Pfarrer. Er bat den jungen Mann eindringlich, mit „seinem Knatterstuhl nicht die sonntägliche Frühmesse zu stören“. Seinen späteren „Knatterstuhl“ musste sich der Privatfahrer nach dem Krieg hart erarbeiten. Denn ein Kolbenring war deutlich teurer als 40 Mark, die jeder Bürger bei der Währungsreform erhalten hatte.

Später, ab 1951, waren Kompressor-Maschinen wie DKW nicht mehr zugelassen. Also stieg Müller um auf die NSU-Rennmaschine des Baujahres 1933 mit 350 ccm Hubraum. Mit dieser erreichte der Leverkusener den dritten Platz auf dem Grenzlandring in Wegberg, der zu dieser Zeit gerne als „schnellste Rennstrecke der Welt“ bezeichnet wurde.

Genau dort geschah 1952 einer der schwersten Unfälle der internationalen Rennsportgeschichte: Der Rennwagen eines Berliners flog aus der Kurve und raste mit fast 200 Stundenkilometern in eine Menschenmenge. Der Wettkampf forderte 13 Tote und 42 Verletzte. Danach wurden alle weiteren Straßenrennen eingestellt und auf Profi-Rennpisten wie Nürburg- oder Hockenheim-Ring verlegt.

Ende desselben Jahres wechselte der Elektro-Großhändler Toni Müller endgültig vom Motorradsattel zurück ins Privatleben. Heute erinnern nur noch Bilder und die alte DKW im Familienbesitz an die Ereignisse von damals.

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