Leverkusen Altstadtfunken ehren die "jungen Wilden"

Leverkusen · Vier Männer aus Opladen zettelten 1968 eine kleine Revolution an: Sie initiierten in der KG die Neugründung des tanzenden Traditionscorps.

 Franz-Josef Finette, Wolfgang Preißer, Peter Baber und Rainer Schiefer (v.l.) waren die "jungen Wilden", die vor 50 Jahren - im bewegten Jahr 1968 - bei den Altstadtfunken eintraten und für Wirbel sorgten.

Franz-Josef Finette, Wolfgang Preißer, Peter Baber und Rainer Schiefer (v.l.) waren die "jungen Wilden", die vor 50 Jahren - im bewegten Jahr 1968 - bei den Altstadtfunken eintraten und für Wirbel sorgten.

Foto: Uwe Miserius

Das am Donnerstag veröffentlichte RP-Interview mit Daniel Cohn-Bendit wird bei den Opladener Altstadtfunken auf Interesse gestoßen sein. Die ehemalige Galionsfigur der 68er-Studentenbewegung spricht über eine bewegte Zeit, die für die Funken Peter Baber (69), Franz-Josef Finette (69), Wolfgang Preußer (79) und Rainer Schiefer (75) aus anderen Gründen wichtig ist. Die Vier traten vor 50 Jahren als "junge Wilde" der Karnevalsgesellschaft Altstadtfunken Opladen bei und initiierten die Neugründung des Traditionscorps, also der tanzenden Männerabteilung.

 Mit der Faschingsgesellschaft "Juhesia" aus Bad Reichenhall samt Mädchengarde (hier ein Foto von 1971) verbindet die Altstadtfunken seit 1968 eine Freundschaft. Randnotiz: "Die Kostüme der Mädels waren für die 60er Jahre recht neckisch", heißt es heute in der Altstadtfunken-Chronik.

Mit der Faschingsgesellschaft "Juhesia" aus Bad Reichenhall samt Mädchengarde (hier ein Foto von 1971) verbindet die Altstadtfunken seit 1968 eine Freundschaft. Randnotiz: "Die Kostüme der Mädels waren für die 60er Jahre recht neckisch", heißt es heute in der Altstadtfunken-Chronik.

Foto: Altstadtfunken

Studenten wie Cohn-Bendit sorgten auch in der Bundesrepublik für politische Unruhen. Dies ging als 68er-Bewegung in die Geschichte ein. "Vergessen Sie 68!", sagte aber diese Woche der ehemalige EU-Abgeordnete Cohn-Bendit in dem Interview unserer Redaktion: "Wir haben eine andere Welt, dieses Zurückblicken macht keinen Sinn." Und er schiebt nach: "War 'ne tolle Zeit für die, die sie erlebt haben. Aber jetzt ist gut."

Da werden Baber, Finette, Schiefer und Preußer zustimmen. Nur vergessen wollen sie diese Zeit nicht. Zumindest was den närrischen Teil angeht: "Wir waren die 68er der Altstadtfunken", betont Finette lachend im Altstadtfunken-Archiv im Funkenturm. "Das waren muntere Zeiten", erinnert sich auch Schiefer, "aber wir waren damals - im Vergleich zur heutigen Zeit - nicht wild genug." Dem neuen Funken-Traditionscorps gehörten anfangs zwölf "Söldner" an, die - mangels Tanzoffizier - mit den zwei Mariechen Waltraud Zeitschner und Brigitte Schamper unter Leitung von Kommandant Reiner Brüggen (OP-Prinz von 1968) durch die Säle zogen. Anfangs wurden sie mit Skepsis von dem Vorstand der Altstadtfunken beobachtet.

Die jahrzehntelange Treue zur ältesten Karnevalsgesellschaft Leverkusens war jetzt den Altstädtern willkommener Anlass, das Quartett für die Auszeichnung auf dem "Ball intern" im Bayer-Kasino vorzuschlagen. Die Funken haben sich in verschiedensten Funktionen um die Altstadtfunken verdient gemacht.

1968 wird übrigens in Opladen erstmals die Silberne Steuerschraube verliehen. Es gründet sich die Aktionsgemeinschaft Opladen (AGO). Walter Scheel wird FDP-Bundesvorsitzender und damit Nachfolger von Erich Mende, dessen Sohn Walter heute in Leverkusen wohnt und hier Oberbürgermeister war.

Den Start in die Narrenzunft ließen sich die neuen Funken und die Gesellschaft einiges kosten: Rund 11.000 Mark mussten für neue Uniformen aufgebracht werden. Als Vorbild dienten die Kölner Roten Funken. Der Unterschied: Die Altstadtfunken verwendeten blau-weißen Stoff verwenden. "Wir hatten enormen Zeitdruck, weil wir gleich loslegen wollten", berichtet Schiefer. Es sollte schließlich direkt zu einem Ausflug nach Salzburg und Berchtesgaden zur Inthronisierung des dortigen Prinzenpaares gehen.

"Heute kann ich es offen erzählen: Reiner Brüggen (Hausmeister der Stadt Opladen und Fahrer für den damaligen Bürgermeister Bruno Wiefel) und ich haben die Uniformen mit dem blauen Dienst-Mercedes des Opladener Verwaltungschefs an die Kollegen ausgeliefert." Schiefer und Freunde arbeiteten fast alle bei der Stadt Opladen.

Die Fahrt 1968 nach Salzburg war der Beginn der bis heute andauernden Freundschaften mit den Faschingsgilden Bad Reichenhall und Berchtesgaden. In den ersten Jahren genossen die Opladener noch die Anwesenheit der amerikanischen Armee und feierten in deren "General-Walker-Hotel" auf dem Obersalzberg Feste, die als "legendär" eingestuft wurden.

"50 Pfennig für ein Glas Cola-Whisky", schwärmt Finette. Meist mit dabei: die eigens für die Altstadtfunken angefertigte "Reise-Kanone" und ein Vorrat Kölsch. Die Besuche der feschen Altstadtfunken kommen auch bei den Frauen in Berchtesgaden (Bayern) gut an. Ein Ehepaar ist allerdings aus der Freundschaft der Karnevalsgesellschaften noch nicht entstanden.

Heute sehen die einst "jungen Wilden" einiges am hiesigen Karnevalsgeschehen kritisch. "Die Veranstaltungen sind zu laut, zu krawallig geworden", sagen sie. Sicher komme dies bei den jüngeren Jecken gut an. "Was uns in den Sälen fehlt, sind rheinisch-kölsche Büttenredner", sagt Finette. Trotzdem gilt für alle vier weiter: "Des Funken Pflicht, eß Freud' zo maache."

(us)
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