Mein Kiosk um die Ecke Als die Trinkhalle vor dem Werkstor fliegen lernte
Leverkusen · Kioskbesitzer Kabil Sahin weiß "alles", was sich im Chempark tut. Eigentlich ist er einer der Geheimnisträger des Bayer-Konzerns.
Denn bei ihm an der "Trinkhalle" vor Tor 4, da trifft sich regelmäßig fast die gesamte Belegschaft dieses Werksabschnittes und tauscht Freud' und Leid' bei belegten Brötchen, Frikadellen, Kaffee und auch schon mal bei einem Feierabend-Bierchen untereinander aus. "Da kriegt man so einiges mit", sagt der Kioskbesitzer bedeutsam, hält sich aber an den eisernen Grundsatz: Was am Kiosk geredet wird, dringt nicht nach draußen.
Seit 1992 betreibt Kabil Sahin den Kiosk am Werkstor 4 an der Titanstraße. Vor vier Jahren sollte er plötzlich schließen. Es gab Baupläne auf dem Gelände, mit dem Werkstor sollte auch der Kiosk weichen: "Meine Kunden haben mir damals sehr geholfen. Und es hat auch viel Wirbel in der Presse und im Fernsehen gegeben", erzählt Sahin gerne über den für ihn erfolgreichen Kampf. Da seien eigens Unterschriften gesammelt worden: "Die Bayer-Leute wollten ihren Kiosk unbedingt behalten", erinnert sich Sahin.
Doch so richtig gut wie in früheren Jahren laufe das Geschäft am Werkstor nicht mehr, beklagt der Kioskbesitzer. Seitdem im Chempark Arbeitsplätze abgebaut worden seien, habe er auch spürbar weniger Kundschaft. "Das merke ich, weil schließlich 99 Prozent meiner Kunden aus dem Bayer-Werk, von Kronos und Titan kommen, Laufkundschaft gibt es hier so gut wie keine", bedauert Sahin. Abgestimmt auf die Werksschichten hat Sahin deshalb die Öffnungszeiten seiner "Trinkhalle": 3.45 bis 9.15 Uhr, dann Pause bis 11 Uhr, weil in dieser Zeit im Chempark alle arbeiten. Dann ist geöffnet bis 17 Uhr, Pause bis 20 Uhr und erneut geöffnet bis 22.30 Uhr. "Besonders viel los ist bei uns immer, wenn Schichtwechsel ist", erzählt Sahin. Morgens gibt's dann belegte Frühstücksbrötchen, mittags und abends Frikadellen, Schnitzel und ähnliche deftige Snacks, Erfrischungsgetränke, Zigaretten und Zeitungen.
Nachdem der Kiosk an der Titanstraße eine gewisse Medienberühmtheit erlangt hatte, ist es nun zwar stiller um den rechteckigen Container-Wagen mit der roten Coca Cola-Reklame geworden. Aber sein Besitzer spricht immer noch gerne von seinem "fliegenden Kiosk". So war die Trinkhalle nämlich genannt worden, weil er aus der unmittelbaren Nähe des Tores 4 weiter an die Titanstraße rücken musste. Und dafür wurde der Container eben mit einem Kran in die Höhe gehoben, "flog" ein Stück durch die Luft, um dann an seinem heutigen Fleck möglichst lange noch zu stehen: Das wünscht sich der 45-jährige Geschäftsmann, der auch weiterhin jeden Morgen um kurz vor 4 Uhr der Erste in seiner "Trinkhalle" sein möchte.
