Alonzo King Lines Ballet in Leverkusen Tanz und Sprache vereint

Leverkusen · Zahlreiche Sprachen werden am Ende des Jahrhunderts ausgestorben sein. Dabei können sie wie Musik klingen. Das Alonzo King Lines Ballet tanzt dazu.

 Die Tänzer des Alonzo King Lines Ballet zeigten beeindruckende Choreografien.

Die Tänzer des Alonzo King Lines Ballet zeigten beeindruckende Choreografien.

Foto: Chris Hardy

Zum Abschluss dieses so ästhetisch wie kraftvollen Tanzabends bei Bayer Kultur formten alle 13 Tänzer des Alonzo King Lines Ballet im Bühnenhintergrund des Erholungshauses gemeinsam aufgereihte Figuren, die an Schriftzüge erinnerten. Sie waren nicht wirklich lesbar, bevor sie sich erneut in diesem nebligen Schwarzgau lösten, um mit Körpern, Armen und Beinen einen weiteren Satz zu schreiben.  Ein faszinierendes Bild am Ende einer mit 56 Minuten erstaunlich langen Choreografie des Compagnie-Gründers und Leiters Alonzo King, in der „Figures of Speech“ variiert wurden.

Die traurige Feststellung, dass über die Hälfte der 7000 Sprachen der Welt bis zum Ende des Jahrhunderts ausgestorben sein werden, gab den Anstoß zu diesem Stück, das der Choreograph zusammen mit dem Dichter Bob Holman erarbeitete. Auf der Tonspur lief dieses Mal (fast) keine Musik, stattdessen gesprochene Sätze in unterschiedlichen Sprachen, die ebenso wenig zu verstehen waren wie die geschriebenen Figuren am Ende. Die aber in Klang, Rhythmik und Melodie durchaus musikalische Anregungen gaben und sich in ihrer Eigenart teils unterschiedlichen Regionen und Kulturkreisen zuordnen ließen, beispielsweise asiatisch, afrikanisch, indonesisch, slawisch oder skandinavisch.

Alonzo King ließ bei seiner Übersetzung in Bewegung dazu aber nicht etwa Geschichten erzählen, sondern betrachtete Sprache, genau wie der Dichter, weitaus umfassender. Nicht nur als Mittel der Verständigung eben, sondern vielmehr als Mittel zur Bewusstseinserfahrung jedes einzelnen Individuums. Diese Erforschung wurde in vielen kleinen Solo-Auftritten gezeigt, die sich nahtlos aus Ensemble-Teilen entwickelten und so, trotz der sich permanent verändernden Sprachspur, den großen Bogen über die gesamte einstündige Choreografie spannte.

Menschen, die ganz auf sich selbst konzentriert scheinen oder Körper, die sich spannen und strecken, um in sich zusammenzufallen wie losgelassene Marionetten, eine Tänzerin, die sich in einem Seil verstrickt und wieder befreit, so dass die  Fußspitze in perfekter Beinstreckung in den Himmel zeigt. Da mischten sich zeitgenössische und neoklassische Bewegungssprache zusätzlich mit Elementen des akrobatischen Streetdance. Die Compagnie aus San Francisco begeisterte mit sauberer Technik, makelloser Bewegung und nicht nachlassender Kraft bis zum frenetischen Schlussapplaus. Nicht zu vergessen die perfekte Lichtabstimmung von David Finn, die Akzente setzte und Stimmungen schuf. Die mit viel Nebel in Grau-Schwarz-Tönen arbeitete, ein kurzes Gewitter aufziehen ließ  oder die Gruppe bei rhythmischen Kultgesängen irgendwelcher Gemeinschaften in warmes Sonnenlicht tauchte.

Begonnen hatte das Erholungshaus-Gastspiel mit der King-Choreographie „Art Songs“ zu klagenden und melancholischen Arien von Bach, Händel, Purcell und Schumann. Musik von ernstem, schmerzlichem Charakter, die vor allem in Zweierbeziehungen fein ausgelotet wurde. Angetrieben von Klang und Emotionalität der menschlichen Stimme, in diesem Fall des fülligen und erdigen Mezzosoprans der israelischen Sängerin Maya Lahyani.

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